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„Armee der Einheit” (2000)

Es gab kein Muster zur Integration der Mitglieder der aufgelösten Nationalen Volksarmee (NVA) der DDR in die Bundeswehr. Es musste improvisiert und gegenseitige Ressentiments aus dem Weg geräumt werden. Ehemalige Offiziere und Unteroffiziere der NVA wurden einem langen Auswahlverfahren unterworfen; ca. ein Viertel der ehemaligen Offiziere und etwas mehr als die Hälfte der Unteroffiziere wurden von der Bundeswehr übernommen.

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Soldaten in einer deutschen Armee

Auf die 2.000 Offiziere und Unteroffiziere aus den westlichen Bundesländern, die nach nur kurzer Vorbereitung auf ihren Auftrag am 3. Oktober 1990 in die aufgelösten Truppenteile der NVA gingen, um die Umsetzung der Befehls- und Kommandogewalt des Bundesministers der Verteidigung sicherzustellen, NVA-Verbände personell und materiell aufzulösen und den Aufbau der Bundeswehr „im Osten“ zu beginnen, kamen Aufgaben zu, die nur schwer abzuschätzen und einzugrenzen waren.


Da es keine „Schubladenpläne” für den Fall der Vereinigung beider deutscher Staaten gegeben hatte, musste sehr viel improvisiert werden. Denn keine Vorschrift war durch einfaches „Umklappen” von West nach Ost anwendbar. Hier waren Ausnahme-, Übergangs- und Notlösungen sowie schnelle unbürokratische Entscheidungen zu treffen.

Darüber hinaus waren straffe und konsequente Führung einerseits sowie Delegation von Verantwortung, Einfühlungsvermögen und Fingerspitzengefühl andererseits nötig, um die Lage zu meistern. Hingegen sahen sich die Angehörigen der ehemaligen NVA einem immensen psychologischen und sozialen Problemdruck ausgesetzt. Die Uniform des ehemaligen, staatlich propagierten „Klassenfeindes” anzuziehen, war für manche Soldaten der NVA und die betroffenen Familien mit äußerst zwiespältigen Gefühlen verbunden, obwohl der Befehlshaber des Bundeswehrkommandos Ost, Generalleutnant Jörg Schönbohm, den Geist der Kommandoübernahme durch Offiziere der Bundeswehr in einer treffenden Formulierung vorgegeben hatte: „Wir kommen nicht als Sieger zu Besiegten, sondern als Deutsche zu Deutschen.”

Die Soldaten aus den neuen und den alten Bundesländern waren gefordert, die „innere Einheit” Deutschlands auf militärischem Gebiet zu vollziehen. Natürlich verlief dies nicht ohne Anfangsschwierigkeiten. Berufs- und Zeitsoldaten der „alten” Bundeswehr und aus der NVA übernommene Offiziere und Unteroffiziere begegneten sich anfänglich mit Skepsis.

Die Einziehung von Wehrpflichtigen aus den neuen Ländern in Standorte in den alten Bundesländern wurde vielfach als unnötige Härte empfunden. Die frühere NVA war eine „Armee sozialistischen Typs”, die unter fester Direktive der SED stand. Die ehemalige NVA galt in den Augen vieler ostdeutscher Bürger als privilegierte Organisation des früheren DDR-Regimes.

Als Herausforderung erwies sich die Umsetzung des Prinzips der Inneren Führung an Standorten in den neuen Bundesländern.

Letztendlich schwanden jedoch schnell im täglichen Dienstbetrieb die gegenseitigen Vorbehalte.

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