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Deutschlands führende Industrielle über die Kriegszielfrage (1915)

Annexionen waren Teil der Grundprämissen auf der Rechten im Falle eines deutschen Sieges. In den besetzten Gebieten im Westen waren die Ausbeutungsmöglichkeiten üppig; sie reichten von reichlichen Rohstoffreserven bis zu modernen Produktionskapazitäten. Hier diskutieren wichtige Vertreter der deutschen Industrie über den rechtlichen Rahmen zum Schutz ihrer Erwerbungen nach dem Krieg.

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An der am 17. Mai im Reichskanzlerpalais in Berlin stattgefundenen Besprechung über die Kriegsziele nahmen folgende Herren teil:

Herr Reichskanzler v. Bethmann Hollweg
Herr Unterstaatssekretär Wahnschaffe
Herr Gebeimer Finanzrat Hugenberg
Herr Landrat Roetger
Herr Syndikus Hirsch
Herr Freiherr von Wangenheim
Herr Dr. Roesicke
Herr Kommerzienrat Friedrichs
Herr Dr. Stresemann
Herr Bürgermeister Dr. Eberle
Herr Wachhorst de Wente
Herr Freiherr von Twickel
Herr Wallenborn

Als erster Redner der Deputation wies Herr Freiherr von Wangenheim darauf hin, daß in den bei der Besprechung vertretenen Verbänden sich eine Einigung sonst feindlicher Erwerbsstände zeige, welche dadurch herbeigeführt worden sei, daß die Not des Vaterlandes selbst einstige wirtschaftliche und politische Gegner zusammengeführt habe. Nachdem sich nun auch die christlichen Bauernvereine den vertretenen Korporationen angeschlossen haben, stehen Industrie und Landwirtschaft geschlossen hinter den Forderungen, die von diesen Korporationen aufgestellt und in der dem Reichskanzler unterbreiteten Denkschrift niedergelegt worden sind. Zwei Gesichtspunkte hätten die Verbände zusammengeführt, seien aber auch grundlegend für die Wünsche derselben. Auf der einen Seite habe man in allen Kreisen der Industrie erkannt, wie wichtig die Bedeutung der Landwirtschaft für den wirtschaftlichen und politischen Bestand des Deutschen Reiches sei. Ohne die durch die Landwirtschaft sichergestellte Ernährung des Volkes sei der Krieg gar nicht durchführbar gewesen. Die Unabhängigmachung vom Auslande schwebe allen Kreisen als Ideal vor. Andererseits habe auch die Landwirtschaft ihrerseits erkannt, von wie überragender Bedeutung die deutsche Industrie in gleichem Maße sei, sie habe erkannt, daß wir militärisch niedergebrochen wären, wenn nicht die deutsche Industrie in der Lage gewesen sei, den außerordentlich großen direkten und indirekten Heeresbedarf selbst herzustellen und im Lande zu erzeugen. Die Kräftigung und Erhaltung dieser beiden grundlegenden Pfeiler der deutschen Volkswirtschaft müsse Ausgangspunkt auch für das nach dem Kriege zu erstrebende Deutschland sein. Die Industrie fordere deshalb von diesem Standpunkt aus, daß die Hand gelegt wird auf die großen Erzlager in Frankreich, daß die Erzbecken von Longwy und Briey ebenso wie die Kohlenbezirke im Pas de Calais und im Departement du Nord in Zukunft zu Deutschland gehören müßten, um den Feind wirtschaftlich zu schädigen und uns unabhängig zu machen. Vom Standpunkt eines Ausgleichs zwischen Industrie und Landwirtschaft sei aber in diesem Falle auch zu fordern, daß wir im Osten neues Gebiet erhalten, das uns die Möglichkeit gibt, dort Siedlungsland zu haben, in dem einmal neue Bauernstellen für deutsche Ansiedler geschaffen, zweitens aber auch Land für ev[entuell] hinzukommende neue Arbeitskräfte der Deutschen aus den russischen Provinzen geschaffen werden könnte. Durch diese Forderungen werde zunächst ein wirtschaftlicher Ausgleich im neuen Vaterland herbeigeführt. Die weiteren Forderungen seien in der überreichten Denkschrift niedergelegt. Wenn augenblicklich wieder schwere Gewitterwolken am politischen Horizont ständen und wenn dabei zu erwarten sei, daß ev[entuell] neue Feinde zu den alten hinzuträten, so möge der Reichskanzler überzeugt sein, daß die hinter den hier vertretenen Verbänden stehenden Erwerbsstände bereit und gewillt seien, wirtschaftlich durchzuhalten und auch die feste Überzeugung hätten, daß dies möglich wäre, sowie sie auch an dem militärischen Erfolge der Waffen nicht zweifelten.

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