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Haushalt einer großen Arbeiterfamilie in einem Dorf bei Frankfurt am Main (1877)

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Als Sonntagsspeise wird zuweilen der Kartoffelsuppe Reis beigesetzt, oder erscheint an ihrer Statt Sauerkraut mit Kartoffelbrei; Gemüse wie Bohnen, Gelberüben u.a. kommen selten vor. [ . . . ]

Das Mittagessen wird den an der Chaussée Arbeitenden gewöhnlich von der Frau zugetragen. [ . . . ]

Verhältnissmässig sehr hübsch ist die Handschrift des N., seine Frau dagegen hat das Wenige, was sie von der Schreibekunst verstanden, nahezu völlig verlernt. N. ist katholischer Religion, es scheint indess nicht, dass in seiner Familie die religiösen Gebräuche sonderlich beachtet werden, die Kirche wird von dem Manne nur unregelmässig, von der Frau sogar nur einige Male im Jahre besucht; sie sei zu sehr durch die Hausarbeit in Anspruch genommen. [ . . . ]

N. raucht nur des Sonntags Zigarren, und auch dann nicht mehr als ein Stück; in der Woche bleibt er seiner alten Gewohnheit, Tabak zu kauen, treu; die Söhne haben sich noch nicht an das Rauchen gewöhnt.

Geistige Getränke werden von der Familie niemals zu Hause und überhaupt nur in sehr bescheidenem Maasse genossen; zu dem im Budget verzeichneten Gläschen Branntwein will N. erst greifen, seitdem er sich der Chausséearbeit zugewendet. Er besucht allerdings das Wirthshaus auch zuweilen an Werktagsabenden, namentlich im Winter; wie er sagt, lediglich der Unterhaltung wegen und ohne etwas zu verzehren. [ . . . ]

An Sonn- und Feiertagen ist N. Vormittags gewöhnlich häuslich beschäftigt. Am Nachmittage macht er ein Schläfchen oder einen Spaziergang mit einem alten Kameraden; darauf besucht er das Wirthshaus, wo er bis gegen Abend bleibt, öfters „Solo" spielend, die Parthie um einen Pfennig. Während dessen ist die Frau zu Hause; kaum öfters als zwei Mal im Jahre nimmt sie an seinen feiertägigen Erholungen Theil. [ . . . ]



Quelle: Gottlob Schnapper-Arndt, 5 Dorfgemeinden auf dem Hohen Taunus. Leipzig, 1883, S. 245-52.

Abgedruckt in Gerhard A. Ritter und Jürgen Kocka, Hg., Deutsche Sozialgeschichte 1870-1914. Dokumente und Skizzen, 3. Aufl. München: C.H. Beck, 1982, S. 264-67.

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