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Haushalt einer großen Arbeiterfamilie in einem Dorf bei Frankfurt am Main (1877)

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Dass N. über keine Baarschaft verfügt, braucht unter diesen Umständen wohl kaum erwähnt zu werden. Dagegen schuldet er noch:

Dem Bäcker, Krämer und Schuster; ferner für in der Nagelschmiederei verbrauchtes Eisen und für zum Zweck des Hausirens gekaufte Waaren 125 Mark. – Für Hausmiethe noch rückständig 41,15 Mark. – Für verschiedene im Laufe der Zeit, namentlich für Geschäftszwecke geborgte Waaren 65,14 Mark. – Zusammen 231,29 Mark.

Aus Vereins- und sonstigen Kassen oder Gemeinde- und Staatsmitteln werden dem N. keinerlei Leistungen zu Theil, mit Ausnahme des für alle Kinder in dem Dorfe bestehenden Gratis-Schulunterrichts* und der herkömmlichen Portionen des Leseholzes aus den Waldungen. Ebensowenig hat er sich auf die Zukunft das Recht aus Unterstützungen irgend welcher Art erworben.

N., früher Nagelschmied, ist seit einem Jahre als Arbeiter an der Chaussée, welche von Oberursel aus nach Schmitten zur Einmündung in die längs der Weil laufende Strasse gezogen wird, beschäftigt. Seine Aufgabe besteht bald im Klopfen, bald im Ausbreiten von Steinen; theils wird er nach Tage-, teils nach Stücklohn bezahlt. Er arbeitet an der Chaussée das ganze Jahr hindurch, Feier- und Regentage und die auf die Heidelbeerlese verwendeten Wochen ausgenommen. Auch die Regentage lässt er indess nicht sämmtlich unbenutzt. In der Werkstätte des Meisters, mit dem er früher als Nagelschmied zusammen arbeitete, fertigt er dann zuweilen aus alten Sprungfedern, die er in Homburg einkauft, sog. S-Haken und setzt dieselben an die Metzger der Umgegend ab; zuweilen auch, wenn sein Bruder, ein Nagelschmied, gerade abwesend ist, benutzt er dessen leerstehendes Geschirr, um Nägel zu schmieden. [ . . . ]

Der älteste Sohn Joseph arbeitet an der Chaussée in gleicher Weise wie der Vater. Er war bereits in der Schule gichtleidend, weshalb der Vater, welcher damals noch Nagelschmied war, darauf verzichtete, ihn gleich nach der Konfirmation zu sich in die Lehre zu nehmen. Joseph wurde deshalb ein Jahr lang zu Hause mit Filetarbeit beschäftigt. Trotz dieser Schonung verging das Uebel nicht, sondern warf den Jungen zwei Winter hindurch auf das Krankenlager. Als er sich wieder einigermassen erholt hatte, musste man sich endlich doch, um der steigenden Noth zu begegnen, dazu entschliessen, ihn gleichfalls an der Chaussée Anstellung nehmen zu lassen. Vater und Sohn hatten die gleiche Zahl täglicher Arbeitsstunden, im Winter weniger, im Sommer mehr; in letzterer Jahreszeit betrug dieselbe gut 11 Stunden (6–12, 1–4, 4½–7), in jener 9–10 Stunden (7–9, 9¼–12, ¼1–5 bez. 6 Uhr).


*Neuerdings wird, wie in allen Feldbergdörfern, so auch in *** Schulgeld bezahlt.

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