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Katholische Sicht der Wirtschaft: Auszüge aus Wilhelm Emmanuel von Kettelers „Die Arbeiterfrage und das Christenthum” (1864)

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nieder, und der Sohn des Mannes, der Christum verflucht hat, gibt aus Liebe zu Christus sein Blut dahin. Doch dem sei, wie ihm wolle; das Christenthum ist so überreich an Mitteln, daß es, wenn es so Gottes Wille ist, die Herzen der Christen auf dieses Gebiet hinzulenken, nicht schwer fallen wird, nach und nach auch die größten Kapitalien zusammenzubringen, die zur Schaffung der Produktiv-Associationen nöthig wären. Es sind zwei Systeme der Besteuerung, das eine übt der Staat, das andere das Christenthum. Der Staat besteuert durch äußeren Zwang nach Steuergesetzen, Steuerlisten und durch Steuerboten, das Christenthum besteuert durch das innere Gesetz der Liebe, und der Steuerzwang und die Steuertaxe und der Steuerbote sind da der freie Wille und das Gewissen. Alle großen Staaten Europa's gehen fort und fort mit ihren Steuersystemen zu Grunde, und aus diesen Geldverlegenheiten ist jenes Geheimniß der Iniquität und Corruption, jenes weltumspinnende Netz der Börsenspeculation mit aller sittlichen Corruption, die aus diesem Sumpfe entsteht, hervorgegangen. Das Christenthum dagegen mit seinem Steuersystem hat noch für alle seine großen Unternehmen immer den reichsten Ueberfluß aller denkbaren Mittel gefunden. Welche Kapitalien hat das Christenthum durch seine freiwilligen Besteuerungen im Gewissen und im Herzen guter Christen schon zusammengebracht? Wenn wir an alle diese Kirchen, alle diese Klöster, alle diese Anstalten der christlichen Liebe für jede denkbare menschliche Noth und Gebrechlichkeit, alle die in der ganzen Welt gegründeten Pfarreien und Bisthümer, alle die in der ganzen Welt angesammelten Armenfonds, alle die durch das Christenthum gegründeten Schulen und Lehranstalten, alle diese alten Universitätsfonds denken und uns vorstellen, daß fast das Alles ohne Ausnahme durch freiwillige Gaben geschaffen und gegründet ist, welche Vorstellung müssen wir uns dann von der Lebenskraft des Christenthums machen? Und so war das Christenthum nicht nur in alten Tagen, ganz so ist es ja heute noch. Wenn wir die Wohlthätigkeitsanstalten, die in der Dauer unseres Lebens durch freiwillige Gaben geschaffen wurden, zusammenrechneten, welche Summe würde sich ergeben? Hat doch diese freiwillige Besteuerung des christlichen Geistes in den letzten fünf Jahren allein dem hl. Vater dreiundzwanzig Millionen dargereicht. Mögen unsere Gegner von dem Nutzen der Verwendung dieser Gaben denken, was sie wollen; sie müssen doch wenigstens zugeben, daß eine Kirche, die eine solche Realität zu Tage bringt, eine entsprechende innere Kraft besitzt, die sie nicht haben. Wie sollten da dem Christenthum die Mittel vorenthalten bleiben zur Schaffung der nöthigen Anstalten für den Arbeiterstand?

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