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Katholische Sicht der Wirtschaft: Auszüge aus Wilhelm Emmanuel von Kettelers „Die Arbeiterfrage und das Christenthum” (1864)

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aus dem Freimaurerthum, aus den Repräsentanten des großen Kapitals, aus dem rationalistischen Professorenthum und dem gewöhnlichen Literatenthum, das an dem Tische dieser hohen Herren ißt und für sie täglich reden und schreiben muß, zusammengesetzt ist, nach Außen aber für das Wirken im Volke gegenwärtig, bis ein neues Schlagwort Mode wird, die gemeinschaftliche Firma „Nationalverein“ und „Fortschrittspartei“ angenommen hat, als auch die eigentlich radicale Partei, die sich sonst durch eine gewisse ehrliche Consequenz vor der großen liberalen Partei auszeichnet. Beide vereinigen sich darin, daß unbedingte Gewerbefreiheit ein Postulat sei, über das nicht mehr disputirt werden könne. Wir entscheiden hier noch nicht, ob dies wahr ist, sondern behaupten, daß, selbst wenn die Gewerbefreiheit nothwendig ist, man es dennoch nicht dem Volke verschweigen sollte, daß die unbedingte Gewerbefreiheit unmittelbar und nothwendig jenen Zustand der gesammten Arbeiterbevölkerung zur Folge hat. Jene Parteien gleichen einem angeblichen Freund, der seinen Freund ins Wasser geworfen hat, und nun, am Ufer stehend, alle möglichen Theorien darüber entwickelt, wie dieser ertrinkende Mann gerettet werden könnte, für diese ersprießliche Thätigkeit aber, ohne auch nur daran zu denken, daß er ihn selbst in diese Lage gebracht habe, das Prädicat der humansten Gesinnung und rührender Freundschaft in Anspruch nimmt.

Damit will ich übrigens nicht den Zunftzwang in seiner späteren Entwickelung alleweg in Schutz nehmen und ebensowenig alle Bestrebungen verwerfen, die eine größere Gewerbefreiheit fordern. Um diesen Schein zu meiden, müssen wir diesen Gegenstand näher betrachten.

Die Autorität und die Freiheit haben das an sich, daß beiden ewige göttliche Gedanken zu Grunde liegen, von deren Entwickelung das Heil der Menschen abhängt, die aber, da sie von Menschen hier gehandhabt werden, nie in ihrer vollen Reinheit zu Tage treten, sondern immer behaftet mit menschlicher Armseligkeit und mißbraucht von menschlicher Selbstsucht. So geht es der Autorität; es liegt in ihr ein göttlicher Gedanke, sie ist unmittelbar Ausfluß der göttlichen Autorität selbst und soll sie in allen Verhältnissen, wo sie auftritt, in den höchsten und niedrigsten Formen repräsentiren. Unaussprechlich lächerlich ist es, für diese Autorität eine Art Surrogat im Volkswillen finden zu wollen. Aber die Autorität, die in ihrem Wesen so göttlich ist, wird von Menschen gehandhabt, und diese Handhabung ist wahrlich nicht immer göttlich, sie wird mißbraucht im Dienste des Egoismus und kann die Angelegenheiten der Menschen auf Erden bis zum Höhepunkt des Verderbens bringen. Dann tritt unfehlbar der Zeitpunkt ein, wo die mißhandelte Freiheit herausbricht mit einer Art innerer Naturnothwendigkeit. Die Freiheit hat auch einen unzerstörbaren göttlichen Gedanken zur Grundlage, aber auch sie, von Menschen gehandhabt, wird unaussprechlich mißbraucht. Die Form, in der der Mißbrauch der Freiheit auftritt, ist der Ungehorsam, die Empörung gegen das rechtmäßige Gesetz und die rechtmäßige Autorität. Im Christenthum ist sie die Sünde. Auch sie kann bis zu einem äußersten Grad des Verderbens führen, wo sie dann gleichfalls mit einer gewissen

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