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John Prince-Smith: Auszüge aus seinen gesammelten Schriften (1843-63)

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So selbstverständlich dies auch sein sollte, haben Einzelne geglaubt, dass das Ziel auf einem kürzeren Wege zu erreichen sei. Sie wollten, ohne das Gesammtprodukt vergrössert zu haben, den Arbeitern einen vergrösserten Antheil an demselben verschaffen, mithin den Antheil der Kapitalisten entsprechend kürzen.**) Kürzt man aber den Gewinn des Kapitalisten, so vermindert man damit sein Interesse, Kapital zu sammeln und zu erhalten, sowie seine Fähigkeit, sein Kapital zu vergrössern, mithin seine Nachfrage nach Arbeit zu erweitern. Ein hoher Kapitalsgewinn führt dagegen am raschesten zur Lohnerhöhung; denn er giebt den stärksten Reiz zur Kapitalsvermehrung. Der grosse Uebelstand für die Arbeiter liegt darin, dass der Kapitalsgewinn und die Kapitalsvermehrung so wesentlich gekürzt wird durch die Staatsausgaben zu unproduktiven Zwecken; — die Kapitalisten würden den Leuten, die für sie arbeiten, viel mehr zu verzehren geben können, wenn sie nicht daneben so viele Friedenssoldaten unterhalten müssten, die ihre Zehrung nicht durch Arbeit wiedererstatten. Würde bei allen europäischen Staaten das schweizerische Milizsystem eingeführt, so müsste in kurzer Zeit das Kapital so anwachsen, der Lohn so steigen, dass von Noth des Arbeiterstandes nicht mehr die Rede wäre. Hier liegt die Lösung der Arbeiterfrage.

»Aber«, wendet man ein, »alle Vermehrung des Kapitals hilft nichts, denn die Zahl der Arbeitsuchenden hält nothwendig damit Schritt, und zwar nach einem von allen Volkswirthen bestätigten eisernen Gesetze, welches den Arbeitslohn stets auf dasjenige herabdrückt, was zur kümmerlichsten Fristung des Lebens ausreicht.« Dieser Einwand ist völlig unbegründet. Die Wissenschaft der Volkswirthschaft weist vielmehr auf ein Gesetz hin, welches eine fortschreitende Besserung der Lage der Arbeiter sichert. Eine Bevölkerung vermehrt sich nämlich rascher oder langsamer, jenachdem sie sich mehr oder weniger behaglich fühlt, d. h. jenachdem ihre Befriedigungsmittel mehr oder weniger ihren gewöhnten Lebensansprüchen genügen. Bei einem gegebenen Maasse von Befriedigungsmitteln kann nun das eine Volk sich ganz behaglich fühlen und wuchern, während ein anderes, bessergewöhntes Volk dabei über drückendes Elend klagen und zusammenschwinden würde. Es kommt hierbei auf Gewöhnung, auf den erreichten Kulturgrad, also auf die kulturgeschichtliche Vergangenheit jedes Volkes an. Im Allgemeinen setzt sich die Volksvermehrung überall in dasjenige Verhältniss zur Kapitalsvermehrung, welches das gewöhnte Maass von Befriedigung sichert; — verringerte sich die erzielte Befriedigung unter dieses Maass, so würde der bisherige Volkszuwachs sofort verlangsamt werden. Wenn dagegen, wie häufig geschieht, die Kapitalszunahme einen grossen Aufschwung nimmt, z. B. in Folgen neuer Erfindungen und Entdeckungen oder


** Sie sagen: „ Die Arbeiter schaffen Alles.“ Mit Hülfe des Kapitals wohl. Aber wie viel könnten denn die Arbeiter allein ohne Kapital schaffen? Halte man z.B. die Ernte, die der Mann auf rohem Boden mit einer blossen Hacke erzielen könnte, gegen diejenige, die er auf kultivirtem Acker mit einem Pfluge herstellen hilft. Der Mehrertrag is dem Kapitale zu verdanken. Dieser Merhertrag fällt aber nicht ganz dem Kapitalisten zu; denn der Feldarbeiter erhält im Lohn mehr Befriedigungsmittel, als er ohne Kapital herstellen könnte.

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