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Friedrich Bülaus Ruf nach einer marktorientierten Lösung des Armutsproblems in Deutschland (1834)

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Also schon der jetzige Ertrag des Bodens an Konsumtibilien reicht zur Ernährung der Bevölkerung, wie die geringen Getreidepreise beweisen, mehr als hin; dieser Ertrag ist einer außerordentlichen Vermehrung fähig; die Konsumtion desselben ist verhältnismäßig geringer geworden; die Erzeugnisse des Auslandes werden noch immer der Lohn unseres Fleißes und werden es stets sein; die künstlichen Bedürfnisse finden täglich eine leichtere Befriedigung, und gleichwohl soll Europa seine Kinder nicht ernähren können, weil ihrer zuviel sind. Eine Übervölkerung sollte da oder nahe sein? Eine Übervölkerung, wo Boden und Menschenhand mehr produzieren, als gebraucht wird? Nimmermehr kann man mit solchen Widersprüchen sich vereinigen.

„Aber mit dem allen erklärst du dies Elend und die Armut nicht, die du abzuleugnen außerstand bist!“ Das will ich auch damit nicht, sondern beweisen, daß nicht die Überzahl der Bevölkerung der Grund des Übels sein kann. Sie kann es nicht sein, weil noch viel daran fehlt, daß alle Hilfsquellen erschöpft, daß nur alle in höchst möglicher Ausdehnung in Anspruch genommen, ja, daß nur alle zugänglich gemacht wären. Folglich läßt sich der bedenkliche Zustand, über den wir alle klagen, nicht als der Zustand der Übervölkerung, sondern als Nahrungslosigkeit bezeichnen. Das ist nicht ein andrer Name für dieselbe Sache, das macht einen sehr großen Unterschied; von dem Augenblicke an, wo wir den Zustand als einen solchen erkennen, sind wir von der furchtbaren und kaum zu lösenden Aufgabe befreit, auf eine Verminderung der Bevölkerung hinwirken oder doch ihre Zunahme möglichst verhindern zu müssen. Vielmehr haben wir es nur mit der Aufsuchung der Verhältnisse zu tun, die die vorhandene, die noch zu geringe Bevölkerung verhindern, alle ihr zu Gebote stehenden Kräfte in voller und erfolgreicher Ausdehnung zu entwickeln. Um einem Übel abzuhelfen, muß man zuvörderst seinen Grund kennenlernen. Um der Nahrungslosigkeit zu steuern, muß man ihre Quellen gefunden haben. Und wahrlich, man braucht auch in unsern hochkultivierten Staaten nicht weit zu suchen, um wirkende Ursachen zu erkennen, welche die Verarmung zahlreicher Volksklassen weit sicherer bewirken, als es die Zunahme der Volksmenge tut. Nicht daß die Armut vorhanden, daß sie nicht größer ist, ist zu verwundern.

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