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August Becker: Auszüge aus Die Pfalz und die Pfälzer (1858)

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seine Bewohner können sich zumeist nicht am Wein laben, sie greifen zum Branntwein oft im Übermaß und schon das stellt sie in den Augen des Vorderpfälzers tiefer, obgleich der seinen Wein auch häufiger trinkt, als gerade zum Durstlöschen notwendig wäre und dem alten Spruch „nach Pfälzer Art trinken" noch immer eine gewisse Bedeutung gibt. — Oft findet man im Westrich noch auf den Häusern die alten Strohdächer, die schon seit Jahrhunderten aus der Vorderpfalz verschwunden sind. Unter diesen Strohdächern wohnt nun zwar manchmal viel Armut und Elend, aber noch öfter der stille, genügsame Sinn, die Ehrlichkeit und jene Tiefe des Gemüts, welche uns mehr anmutet als der glänzende äußere Schein, — so wie uns oft die stillen Täler in ihrer anspruchslosen Idylle, wie man sie im Westrich trifft, leicht mehr anheimeln als die reiche Flur im Gau der Ebene oder im Weinlande. Draußen in der Pfalz bei glänzendem äußeren Anscheine häufig etwas Oberflächlichkeit, — hier innen im Westrich unter rauherer Schale ein guter Kern, so Land wie Volk. —

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Erinnerungen und alle Sympathien für Deutschland verloren hätten, — nur vergaß man, daß Deutschland daran selbst vollkommen schuld war und daß es überhaupt noch zu wundern ist, wie sich das Deutschtum in der Pfalz nur erhielt und jetzt bereits schon so völlig erkräftigt ist, nachdem mit den Zollschranken wenigstens eine Scheidelinie gefallen, welche das Land vom übrigen Deutschland trennte. Die Ereignisse von 1832 und 1849 gingen ja ohnedies ganz von der Idee des Deutschtums aus. Daß in jenen Jahren, was Deutschland bewegte, in dem Lande, wo von jeher die Bebungen in der politischen Welt Europas am stärksten nachempfunden wurden, wieder den lautesten Nachhall gefunden, ist schon wegen des leicht erregbaren Charakters des Volkes erklärlich. Man gibt sich hier um so lieber und schneller politischen Erregungen hin, weil die rein geistigen bei dem Mangel einer größeren Stadt ganz wegfallen und der lebhafte Sinn des Volkes doch eine Nahrung haben muß. Daß auch Bewegungen im royalistischen Sinne hervorgerufen werden können, hat die Pfalz gezeigt, als sie von Bayern ihren alten Namen empfing und als der „junge Pfalzgraf" die Enkelin der Hohenzollern heimführte.

Es ist wahr, der Pfälzer hat jetzt noch mehr spezifisch pfälzischen Stolz als den Stolz des Deutschen. Aber leider ist ja das in Deutschland überall so und ist immer so gewesen. Sicherlich würde heute jeder Pfälzer seinen Lokalpatriotismus dem allgemeinen opfern, wenn es zu einem einigen Deutschland käme. Solange er aber sieht, daß der Österreicher sich als Österreicher, der Brandenburger als Brandenburger fühlt, kann er des Gedankens nicht los werden, ob denn auch die alte rheinische Pfalz nicht in politischer Ebenbürtigkeit den andern gegenüber stehen könne, warum denn gerade sie zerstückelt und getrennt sein müsse!

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