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August Becker: Auszüge aus Die Pfalz und die Pfälzer (1858)

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Sie bemitleiden auch niemand mehr als die Bauern drunten am Rhein, wo der Wein gekauft werden muß oder gar die Westricher Kartoffelbauern. Branntwein trinkt der Weinbauer nur in äußerst seltenen Fällen, ihm aber mit Bier aufzuwarten wäre wirklich beleidigend. Er mag das Bier nicht, das sollen die Altbayern trinken, meint er, oder die Herrenleute, die nichts arbeiten und der Biermode huldigen. In der Tat müßten denn auch die ganz wenigen Bierschenken im Weinland ihre Schilder einstecken, wenn nicht die Stadt- und Landhonoratioren und die Juden Bier tränken. — In der Ebene und in Städten wird mehr Bier getrunken, — die Gaubauern sollen aber auch andere Mägen haben als die Weinpfälzer und tüchtige Esser sein, was sie in ihrem reichen Lande wohl sein dürfen und können.

Gar vieles ist nun anders im Westrich, wo das Land nicht so reizend, nicht so fruchtbar, das Klima nicht so milde ist. Der Vorderpfälzer kriegt immer Gänsehaut, wenn er ans Westrich denkt, wenigstens tut er so. Aber er soll nicht vergessen, daß hinter den Bergen auch Leute wohnen und Leute, die sich sehen lassen dürfen. Das dicke waldige Hochland der Haardt wird jetzt mit der Eisenbahn rasch durchflogen und man hätte nun Gelegenheit genug, Land und Leute dahinten besser kennen zu lernen als vom bloßen Hörensagen. Aber noch immer denkt man sich in der Vorderpfalz das Westrich als ein Urland voll Urmenschen, ein trauriger Wechsel von Wald, Heide und Felsen; man beurteilt es eben nach den der Vorderpfalz zunächst liegenden Strichen, nach den Waldtälern am Speyerbach, wo in den Einzelhöfen bei Elmstein die Leute sogar dem Hungertyphus verfallen, oder nach dem Felsenland des Gossersweiler und Dahner Tals im Wasgau und dessen düsteren armen Bewohnern. — Fleiß und Ausdauer charakterisieren auch den Westricher, Geschick und Talent zur Landwirtschaft ist ihm so sehr eigen wie dem Vorderpfälzer und einzelne Striche seines Hügellandes hat er sogar zu Musterländern der Landwirtschaft und Viehzucht umgeschaffen. Im Ganzen fehlt ihm freilich die Elastizität des Geistes und Körpers, wie sie dem Vorderpfälzer eigen ist; er ist weder so mundfertig noch so witzig, weder so laut lärmend in seiner Lustigkeit noch so feurig. Selbst seine Figur steht der des Vorderpfälzers nach und gar häufig findet man dies mehr gedrückte Wesen auch in seiner Haltung ausgesprochen. Es ist mehr Innerlichkeit, mehr Sinnigkeit in dem stillen Westricher, er läßt nicht so gerne seinen Witz glänzen und selbst seine Schalkhaftigkeit hat den gutmütigen Anstrich liebenswürdiger Naivetät, wo der Vorderpfälzer satyrisch, ja sarkastisch werden kann. Ihm ist das „Utzen", das Sticheln und Foppen bei weitem weniger geläufig als dem Vorderpfälzer, dem das „Utzen" angeboren ist, der sich gar nicht wohlfühlen würde, wenn er nicht jemand hätte, an dem er seinen „Utz" und Witz auslassen könnte. Da wird denn in Ermangelung eines Schwaben oder Altbayern draußen am ehesten der Westricher geutzt, der sich's zumeist auch in gutmütiger Weise gefallen läßt. Aber er denkt dafür auch seinen Teil über die „groben Pfälzerbauern" und die „Krischer" im Weinland. — Das Westrich kann man im allgemeinen freilich als das Kartoffelland im Gegensatz zu dem Fruchtland und dem Weinland der Vorderpfalz bezeichnen. Es ist ärmer, —

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