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August Becker: Auszüge aus Die Pfalz und die Pfälzer (1858)

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Gau herrschen längst schon städtische Sitten, städtische Kleidung und städtische Art vor, — das „Manschettenbauerntum", der Übergang zum völligen Städter ist dort vorzüglich ausgebildet. Und solche pfälzische Manschettenbauern können heute als der Typus des pfälzschen Volkstums gelten — sie sind die eigentlichen Pfälzer. Ihre Häuser bekommen städtischen Anstrich, ihre Stuben werden ausgemalt und mit Kupferstichen behängt — und der weiße Kalkanstrich und die braunen Balken dazwischen an den Straßengiebeln verschwinden nach und nach. Was aber für die ganze Vorderpfalz gilt, das ist das flotte Aussehen aller Dörfer, — schön und bequem wollen die Pfälzer wohnen. Jeder Familienvater hat sein eignes Haus mit Hof und Nebengebäuden, und wenn das Haus auch noch so geräumig und in seinen zwei Stockwerken Platz genug böte, so wird sich doch kein Vorderpfälzer leicht dazu entschließen, selbst mit seinem verheirateten Sohne in demselben Hause zu wohnen. Was die Stellung des Weibes anbetrifft, so verrät auch sie eine höhere Kultur in diesen Weingegenden und man darf wohl sagen, in der Pfalz überhaupt, wenn auch im Westrich die Frauen häufiger Männerarbeit verrichten. Es wird nicht leicht eine Frau die Peitsche zur Hand nehmen oder gar den Dreschflegel wie besonders in Altbayern. Man wird auch nie eine im Schubkarren sehen, dafür aber auch keine im Wirtshaus, wie man das besonders wieder in Bayern trifft. Überhaupt überlassen die pfälzischen Frauen des Mannes Obliegenheiten dem Mann, indem sie desto eifriger den ihrigen nachhängen und als tüchtige Hausfrauen schon lange bekannt sind, — so überlassen sie auch das Trinken den Männern, was diese freilich dafür manchmal doppelt tun. Der Wein mag denn auch vom größten Einfluß auf den Charakter des Volkes sein. Auf seine Rechnung kommt das hitzige, aufbrausende Blut des Weinpfälzers, dessen Stolz und Ehrgefühl sich schnell verletzt fühlt und der — wir sagen dies als Berichtigung vieler gegenteiliger Behauptungen — eben so rasch mit der Faust dreinzufahren geneigt ist als mit dem Mund. Nur kommt eben das angeborene Gefühl für Anstand und gute Sitte hinzu, die dann auch weit seltner übersprungen werden als anderswo. — An dem ganzen Gebirgssaume bis weit in die Ebene hinab trinkt der pfälzische Landmann das ganze Jahr hindurch bei seiner Arbeit, bei Tische und in der Zwischenzeit Wein. Kein Taglöhner würde in den Taglohn gehen, wenn er nicht bei jedem Imbiß und dann noch an heißen Sommertagen zwischendrein jedesmal seinen Schoppen (große Pfälzerschoppen) oder doch halben Schoppen Wein bekäme. Besonders die Arbeiter in den Weinbergen selbst leeren viele Fuder Pfälzerwein alljährlich. Dafür ißt der Mann auch weniger und dem oft gehörten Satz, daß das Bier nähre und der Wein zehre, wird von den Weinpfälzern tatsächlich widersprochen.

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