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Daniel Schenkel: Auszüge aus Der Deutsche Protestantenverein (1868)

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kirchliche Theologie es zum großen Theile selbst verschuldet. Eine Theologie, welche die Bibel zu einem unfehlbaren Lehrbuche in der Astronomie, der Geographie, der Naturgeschichte und Weltgeschichte erhebt; welche die Erde in den Mittelpunkt der Schöpfung, den Thron Gottes mit den drei Personen der Dreieinigkeit auf das Himmelsgewölbe, und die Hölle mit den Verdammten in das Innere des Erdballs stellt; welche den Luftraum zwischen Himmel und Erde mit Engeln und Dämonen bevölkert, die unter Anderm auch das gute oder schlechte Wetter besorgen; welche den Wahnsinn aus Teufelsbesitzungen herleitet, dem Menschen als solchem den freien Willen und alle Kraft des Guten abspricht, und die Majestät Gottes darin erblickt, daß er seine eigene Weltordnung mit Mirakeln durchbricht und aus der Masse der von ihm geschaffenen vernünftigen Geschöpfe nur ein kleines Häuflein unverdienter Weise aus lauter Gnaden errettet — eine solche Theologie bringt nothwendig einen culturfeindlichen Eindruck hervor und fordert gegen ihre, mit der Miene der Unfehlbarkeit behaupteten Sätze unvermeidlich den Widerspruch des Jahrhunderts heraus. Dieselbe ist auch keineswegs wesentlich christlich. Jesus Christus hat die Menschen zur Gemeinschaft mit Gott und zur Liebe gegen den Nächsten berufen, aber nicht dazu, ein näher formulirtes naturwissenschaftliches System anzunehmen und metaphysische oder astronomische Probleme zu lösen. Er hat erklärt: „Eins ist noth", und dieses Eine ist die ungetheilte Hingabe des Gemüthes an das Ewige, während die Theologen die Zustimmung zu einem Haufen von Satzungen für nothwendig erklären und die armen Gewissen in Hunderte von Stricken gefangen genommen haben. Der Protestantenverein geht von der zuversichtlich richtigen Annahme aus, daß, sobald einmal die Theologie nur noch religiös sein will, dann auch die Cultur nicht mehr kirchenfeindlich sein wird. Wir werden dann beides zugleich sein können: mit dem Herzen fromm und mit dem Kopfe hell; die Frömmigkeit wird den Kopf erwärmen, die Wissenschaft das Herz erleuchten.

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Quelle: Daniel Schenkel, Der Deutsche Protestantenverein und seine Bedeutung in der Gegenwart nach den Akten dargestellt. Wiesbaden: E.W. Kreibel’s Verlag, 1868, S. 1-2, 3-6, 7-8, 23-27.

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