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Auszüge aus zwei Predigten von Friedrich August Tholuck: „Was ist die menschliche Vernunft wert?” (um 1840) und „Wann ist die größere bürgerliche Freiheit für das Volk ein Glück?” (1848)

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„Sammelt euch aber Schätze im Himmel, da sie weder Motten noch Rost fressen, und da die Diebe nicht
nachgraben noch stehlen. Denn wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz. Das Auge ist des Leibes Licht.
Wenn dein Auge einfältig ist, so wird dein ganzer Leib Licht sein. Wenn aber dein Auge ein Schalk ist, so
wird dein ganzer Leib finster sein. Wenn aber das Licht, das in dir ist, Finsternis ist; wie groß wird dann die
Finsternis selber sein? Niemand kann zween Herrn dienen. Entweder er wird den einen hassen, und den
andern lieben; oder wird einem anhangen, und den andern verachten. Ihr könnet nicht Gott dienen und dem
Mammon.“

Habt ihr's vernommen, meine Brüder, was er euch mit diesem Worte über den Wert der menschlichen Vernunft sagt? Das sagt er euch: Sie ist ein Licht für den ganzen inneren Menschen, wenn sie gesund ist, — sie ist ein Irrwisch für den ganzen inneren Menschen, wenn sie krank ist, und — sie wird nur gesund, wo der rechte Zug des Herzens sie leitet. Das hat unser Herr gesagt, und nun wissen wir denn, zu welchen wir uns zu halten haben in den Kämpfen dieser Zeit. Wir halten zu denen nicht, nach welchen der Mensch ohne geistiges Auge geboren sein soll; wir halten zu denen nicht, nach welchen der Mensch aus eigner Vernunft und Kraft sein geistiges Auge gesund machen kann; aber zu denen halten wir uns, die da bekennen, daß nur durch den rechten Zug des Herzens das geistige Auge des Menschen gesund wird. O du, in dessen Licht wir allein Licht sehen können, wir Prediger und ihr Zuhörer, erleuchte du unsern Geist! Die Unmündigen und die Kinder hast du zu dir eingeladen, siehe, wir kommen als die Unmündigen, um unsere Weisheit von dir zu nehmen!

Das erste also, was Christus von der Vernunft uns lehrt, ist dies, daß sie ein Licht für unsern ganzen inneren Menschen sei, wenn sie gesund ist. Ein Licht braucht der Mensch für seine Gefühle, für sein tägliches Wollen und Handeln. Freilich fehlt viel daran, daß der Mensch schon darum recht will, weil er recht weiß.

Zwar bilden sich das viele ein; denn viele sind, die da meinen, daß alles mit dem Menschen gut gehen sollte, sobald sie nur immer gescheiter und gebildeter würden, und in allen Künsten, Wissenschaften und Fertigkeiten Fortschritte machten. Und so treiben sie es nun auch selbst, lernen aus allen Büchern und von allen Meistern, — nur, daß unter allen Gegenständen, über die sie nachdenken, die Religion, ihr Verhältnis zu Gott, der letzte ist. Sie schämen sich, wenn unter den Dingen, die auf der Erde und unter der Erde sind, irgendeines ist, von dem sie keinen rechten Bescheid zu geben wissen; nur wenn sie über ihre Religion, wenn sie über die Heilige Schrift keinen rechten Bescheid wissen, schämen sie sich nicht. Wißt ihr, was unsere Vorfahren gesagt haben von denen, die nur ans Gescheiter- und nicht ans Besserwerden denken? „Werden die Menschen gescheiter, so macht der Teufel die Hölle weiter.“ [ . . . ]

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