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Erich Mendelsohn, „Das neuzeitliche Geschäftshaus" (1929)

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Auch das Kaufhaus Schocken in Nürnberg, 1925, ein Haus mittlerer Größe, hält seine Verkehrsflächen frei von jedem behindernden Einschnitt. Die Eingänge, Treppen und Fahrstühle liegen an den Enden des Gebäudes. Es ist ein Neubau, daher der Trakt nur so tief, wie er gut durchlichtet werden kann. Die Fenster sind unmittelbar unter die Decke gerückt. Sie beginnen über den Schränken, die zwischen die Frontstützen eingebaut sind und den bisherigen Sinn von Stubenmöbeln endlich aufgegeben haben. Die reflektierende Decke gibt ein tadelloses Licht für Regal und Verkaufstisch, während der direkte Lichteinfall der hochliegenden Fenster schräg in die Tiefe wirkt. Die Fenster sind als Kippflügel mit mechanischer Übertragung ausgebildet, die Reihenbeleuchtung mit Einzelschaltung der Lampen aus Ersparnisgründen. Eingeschaltet wird nur dort, wo wirklich Licht benötigt wird.

Die Stellung der Schränke unter den Fenstern, die Lage der Fenster über den Schränken bestimmt die Wirkung der Front. Das Haus kommt aus einer engen Straße und bildet die Stirn eines großen Platzes. Hier an der Stirn, liegt die Treppe, das Höhenmoment des Baukörpers, das Vertikalmoment, unter der Treppe der Eingang, der Einschnitt unter dem Baldachin. Also entspricht auch der Aufbau dieses Hauses und die Gliederung seiner Front einer klaren Erkenntnis und der Logik der inneren Vorgänge.

Es ist das Magazin, das über den Schaufenstern schichtweise, Etage über Etage, seine Ware geschichtet hat zum Verkauf – diese Erkenntnis schafft im Nürnberger Schockenhaus einen neuen Typ des Geschäftshauses.

Zu diesem Sprung führt auch die konsequente Durchsetzung des neuen Baumaterials, der Eisenkonstruktion. Sie verwandelt das Drama des Steins in einen technischen Artikel. D. h. sie hebt die Massivität der Steinbauten auf und verleiht dem Bau die Leichtigkeit und Qualität eines gelenkigen Skeletts – konzentriert anstelle der durchgängig tragenden Steinmauer die Last auf wenige Stützenpunkte, füllt die Zwischenfelder mit unbelasteten leichten Wänden aus.

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Das nächtliche Berlin – Friedrichstraße

Die kleinbürgerliche Dorfstraße im Vergleich zu Amerika. Ungeordnete Lichtpunkte, klimatische Reflexe, Verwirrung für die Passanten [ . . . ] Die Phantastik des nächtlichen New York können wir zunächst nicht, im Ausmaße nie erreichen. Auch nicht durch wahlloses Anleuchten von Gebäuden. Was in Amerika mit gigantischem Ausmaß reklamehaft, zeichenhaft wirkt – führt bei uns nicht zum Ziel – zu geringe Höhe, zu große Gleichmäßigkeit der Straßenbebauung.

Die nächtliche Vermengung von Lichtwirkung aber – ergibt ein wahres Falschspiel des Lichts – Anstatt Beschränkung überall Verschwendung, anstatt Wirkung nur Verwirrung, anstatt Lebendigkeit – die Unbeherrschtheit des Dilettanten.

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