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Verhandlungen des Reichstags über den Versailler Vertrag (Juni 1919)

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Immer greifen unsere Feinde, wenn sie über Elsaß-Lothringen sprechen, nur auf 1870/71 zurück, sie sprechen nicht von der Zeit, in der uns dieses deutsche Land — Elsaß ist überwiegend ein deutsches Land, mindestens zu 95 Prozent — durch bourbonische Raubgier geraubt worden ist.

(Sehr richtig! rechts.)

Das ist um so wunderbarer, als man Oberschlesien, das seit 1253 von der Krone Polens getrennt ist, wieder für Polen fordert.

(Sehr gut! rechts.)

Das ist die ausgleichende Gerechtigkeit unserer Feinde! Man raubt uns ferner das Saartal mit seinen Bodenschätzen, ein ganz deutsches Land. Man hat Polen künstlich so gestaltet, daß es sich als ein breiter Gürtel längs der ganzen russischen Grenze, zwischen Deutschland und dem ehemaligen Rußland hinzieht. So legt sich Polen mit Tschecho-Slovakien und Jugoslavien vor Rußland, unsere natürlichen Hinterlande, von der Ostsee bis zum Adriatischen Meer. Zu diesem Zweck nimmt man sogar noch einen Teil von Ostpreußen in Anspruch. Es ist ein teuflischer Plan, daß Deutschland so in die Zange genommen werden soll zwischen das rachsüchtige Frankreich und das nicht zu versöhnende Polen. Ostpreußen, ein Land, geschaffen durch den Deutschen Ritterorden, war 194 Jahre unter polnischer Herrschaft, und diese 194 Jahre waren eine Zeit des schwersten Verfalls unter polnischer Wirtschaft. Unsere Feinde sprechen fortgesetzt von Freiheit, von Selbstbestimmung der Völker. Sie nehmen für sich in Anspruch, auf einer höheren Kulturstufe zu stehen, und sagen uns jeden Tag, daß die Deutschen sich als ein Volk erwiesen hätten, das auf einer niedrigen Kulturstufe stehe; gleichzeitig aber führen sie den ganzen Osten einer niedrigeren Kulturstufe unter polnischer Herrschaft zu und beseitigen dort das in kultureller Beziehung so hochstehende deutsche Volk.

Ich habe schon gesagt: Oberschlesien war seit 1253 von der Krone Polens getrennt; wiederholt haben die polnischen Könige anerkannt, daß sie auf die Oberhoheit Oberschlesiens verzichten. Oberschlesien ist recht eigentlich eine deutsche, eine preußische Schöpfung. Noch in der Hälfte des vorigen Jahrhunderts zweifelte man, ob es lohne, überhaupt eine Eisenbahn nach Oberschlesien hin zu bauen, diesem Lande mit vielem mageren Boden und großen Kieferwäldern. Die reichen Naturschätze Oberschlesiens sind nur durch deutsche Arbeit erschlossen worden. Und jetzt will man uns dieses Land rauben ohne jegliche Entschädigung! Man hat eine Abstimmung in Oberschlesien in Aussicht gestellt, aber in der Antwort unserer Feinde ist ausdrücklich gesagt, daß eine militärische Besetzung notwendig sein werde und bis zur Abstimmung sehr lange Zeit vergehen dürfte. Daraus sieht man schon, welche Mittel man anwenden will, um die Abstimmung zugunsten unserer Feinde herbeizuführen.

Ich möchte die Regierung hierbei auf einen schwerwiegenden Umstand hinweisen. Durch die Anarchie, die jetzt auf so vielen Gebieten der Staatsverwaltung herrscht, hat leider auch jede geordnete Grenzkontrolle aufgehört, und mir ist glaubwürdig versichert worden, daß tausende Untertanen des ehemaligen Königreichs Polen nach Oberschlesien strömen und dort die Bevölkerung für den Anschluß an Polen bearbeiten.

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