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Auszüge aus dem Staats-Lexikon: „Geschlechterverhältnisse” (1845-1848)

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2) Der Mann beendigt mit dem Acte der Begattung, mit der Zeugung des individuellen Lebens, vor der Hand seinen Antheil an der Fortpflanzung. Auch ist seine ganze Organisation und Lebensthätigkeit vor dieser Zeugung bei Weitem nicht so sehr für den Zweck der Fortpflanzung bestimmt und in Anspruch genommen als die des Weibes, bei welchem, wie Burdach sich ausdrückt, „das Lebensziel die Liebe ist, und alle Kräfte sich auf die Erhaltung der Gattung beziehen". Der Mann sieht sich mithin freier und mehr auf anderweitiges äußeres Wirken angewiesen. Die Bestimmung des Weibes besteht auch nach der Empfängniß vorzugsweise in fortdauernder Erhaltung der Gattung durch innere Entwickelung, oder darin, das gezeugte Kind wie einen Theil ihres eigenen Lebens in ihrem mütterlichen Schooße zu hegen und zurückzuhalten, durch die Harmonie ihres eignen Lebens mit dem seinigen zur Entwickelung zu bringen und auch nach seiner Geburt zu ernähren und zu pflegen, und erst das zum selbstständigen Dasein herangereifte Individuum in die Außenwelt zu entlassen, wo es alsdann der Mann in die Welt einführt.

Auf höchst merkwürdige Weise harmonirt nun mit dieser zwiefachen Hauptverschiedenheit auch die ganze übrige Verschiedenheit des organischen Baues und der organischen Lebensfunctionen der beiden Geschlechter. Mit Beziehung auf Burdach's Nachweisungen und nähere Ausführungen heben wir nur einige Hauptzüge zur Veranschaulichung hervor.

Während in der physischen Organisation des Mannes überhaupt die Richtung auf das individuelle Schaffen und auf kräftiges Wirken nach Außen vorwiegen, überwiegt in der weiblichen Organisation die Richtung auf die innerliche Bildung und Erhaltung; es überwiegt eine regere Aneignung so wie die Bindung der Stoffe gegen die Zersetzung, so daß das Weib nur einer mäßigen, wenig reizenden, milden und leichten Kost bedarf, wogegen dem Manne stärkere Ausscheidungen, Anregungen und Erneuerungen, häufigeres, kräftigeres Athmen in frischer Luft, kräftigere Fleischkost, Gewürze und geistige Getränke mehr Bedürfniß sind, und er nicht so sehr und so lange Nahrung entbehren kann wie das Weib. Auf die Erhaltung der Gattung ist ein größerer Theil weiblicher Organe und Functionen gerichtet, und die Fortpflanzung ist noch mehr dem Weibe als dem Manne Bedürfniß; es leidet mehr durch Ehelosigkeit als er. Die Blutbildung geht bei dem Weibe leichter vor sich, Zellgewebe und Fett sind reichlicher und die äußeren Formen daher weicher und sanfter, während die Aussonderungen geringer sind und im Ganzen das Leben länger widersteht oder sich länger erhält. — Der weibliche Körper ist zarter, die Empfänglichkeit für Reize höher, der Blutlauf und Puls schneller. Die Entwickelung schreitet früher vor und alle Perioden folgen schneller auf einander. — Während bei dem Manne die Muskelkraft vorwaltet, ist bei dem Weibe die Nerventhätigkeit überwiegend, und die Muskeln sind dünner, weniger äußerlich sich bezeichnend, weicher und schwächer. Die Gelenke sind beweglicher, die Flechsen und Bänder geschmeidiger, die Bewegungen weniger kräftig, aber, bei dem Uebergewichte der Centralorgane und ihrer Herrschaft über sie, leichter, lebhafter, anmuthiger. Die Knochen sind dünner, die Gliedmaßen zarter, die Stimme schwächer, aber höher, geschmeidiger und biegsamer. Ueberall ist im weiblichen Organismus das Innere, Centrale, im Verhältnisse zum äußeren Peripherischen, mächtiger. Demgemäß sind auch die Sinnesorgane kleiner und zarter und bei einer leiseren Empfänglichkeit mehr zur Aufnahme feinerer Eindrücke als zu einer Wirksamkeit in größeren Kreisen geeignet.

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