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Studenten protestieren gegen die Bildungs- und Hochschulreform (25. Juni 2009)

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Ziel: Wir wollen die Einheitsschule!

Hintergrund: In keinem anderen Industrieland (außer Österreich) werden die Kinder so früh auf verschiedene Schulformen verteilt wie in Deutschland. Bereits nach der vierten Klasse – in Berlin nach Klasse sechs – müssen sich Schüler entscheiden, ob sie das Lernen auf dem Gymnasium, der Real- oder Hauptschule fortsetzen. Der Streit um die richtige Schulform geht bis zu den Anfängen der Bundesrepublik zurück, als die Alliierten dem Land eine demokratische Schule für alle vorschreiben wollten. Doch die Gesamtschule hat sich in keinem Bundesland durchsetzen können. Ob integrierte Schulsysteme tatsächlich bessere Leistungen erbringen, ist umstritten. Fest steht für die Mehrzahl der Wissenschaftler hingegen, dass die frühe Trennung der Schüler die soziale Auslese verschärft. In Deutschland gilt sie als besonders scharf.

Prognose: Nachdem sich jahrzehntelang nichts an den Schulstrukturen geändert hat, ist seit Kurzem Bewegung in die Fronten geraten. Verschiedene Bundesländer sind dabei, die Zahl der Schulformen zu reduzieren. Dabei geht es insbesondere um die Abschaffung der Hauptschule beziehungsweise ihre schrittweise Zusammenlegung mit der Realschule. Hamburg und Berlin gehen noch einen Schritt weiter. Sie wollen alle Schulformen außer dem Gymnasium zu einer neuen Schule zusammenfassen. Das Besondere an den sogenannten Stadtteilschulen oder Regionalschulen: Für geeignete Schüler sollen auch sie das Abitur anbieten, und zwar in 13 statt 12 Jahren. Die Einheitsschule bis zur Klasse acht oder zehn, wie sie die meisten Nationen der Welt kennen, steht jedoch in keinem Bundesland auf der bildungspolitischen Agenda.



Ziel: G8 abschaffen!

Hintergrund: Alle westlichen Bundesländer haben die Gymnasialzeit reduziert. Den Anfang machte das Saarland. Seit 2001 heißt es hier: Statt neun müssen acht Jahre bis zum Abitur reichen. In den neuen Ländern gilt das achtjährige Gymnasium G8 schon lange. Die Kultusminister reagierten mit der Schulzeitverkürzung auf die Kritik, dass die deutschen Schulabgänger zu alt seien. Dies erweise sich als ein Wettbewerbsnachteil auf dem Arbeitsmarkt gegenüber anderen Nationen, die in der Regel zwölf statt dreizehn Schuljahre kennen. Tatsächlich lag das Durchschnittsalter deutscher Abiturienten vor Kurzem bei 19,5 Jahren, das Examensalter der Studenten bei 27. Die Annäherung an europäische Standards wird von Politikern aller Parteien befürwortet. Lehrerverbände dagegen kritisierten die Reform von Anfang an. Eltern und Schüler schlossen sich dem Protest an: Das Turbogymnasium überfordere die Schüler, lasse ihnen keine Zeit mehr für Sport, Musik oder andere Freizeitaktivitäten, denn Lernstoff und Stundenzahl bis zum Abi wurden meist nicht verringert. Deshalb dauert der Unterricht nun oft bis in den Nachmittag – ohne dass die meisten Gymnasien auf Ganztagsbetrieb umgestellt haben.

Prognose: Die Umsetzung der Schulzeitverkürzung ist weit fortgeschritten. Curricula wurden umgeschrieben, Stundenpläne verändert. Den meisten Gymnasien verlangte die Reform einen enormen Kraftakt ab. Deshalb ist es ausgeschlossen, dass G8 zurückgenommen wird. Die meisten Bundesländer sind jedoch dabei, den Unterrichtsstoff etwas zu straffen. Langfristig werden sich Gymnasien zu Ganztagsschulen entwickeln müssen. Gute Schulen werden dann Lernen und Freizeit besser über den Tag verteilen können.

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