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Studenten protestieren gegen die Bildungs- und Hochschulreform (25. Juni 2009)

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Ziel: Nehmt die Lehre endlich ernst!

Hintergrund: Wenn Mittelzuweisungen etwas über Wertschätzungen aussagen, dann ist es ein klarer Fall: Bund und Länder hatten den Exzellenzwettbewerb Forschung allein in der ersten Phase mit gut 1,9 Milliarden Euro ausgestattet, für den entsprechenden Exzellenzwettbewerb Lehre war schon bei 10 Millionen Schluss. Dafür lassen Deutschlands Wissenschaftspolitiker kaum eine Sonntagsrede aus, in der sie nicht Professoren und Hochschulen mahnen, sich mehr Mühe mit den Studenten zu geben. Zudem fordern die neuen Studienabschlüsse Bachelor und Master schon von ihrer Struktur her einen höheren Zeitaufwand für Lehre, Betreuung und Prüfung. Bei einem Zahlenverhältnis an den Universitäten von durchschnittlich 60 Studenten pro Professor ist Frust auf beiden Seiten programmiert.

Prognose: Es mag langweilig klingen, doch der Ruf nach mehr Geld ist auch bei der Forderung nach einer besseren Lehre unvermeidbar. Doch alles Hoffen auf Abhilfe dürfte vergeblich sein. Zwar sollen dank Hochschulpakt 2020 zusätzliche Milliarden an die Hochschulen fließen – aber nur, wenn dafür noch mehr Studenten aufgenommen werden. Zur Geldnot gesellt sich ein Systemproblem: Das Engagement für exzellente Lehre zählt bei der Berufung künftiger Professoren bislang weit weniger als die Forschungsleistungen. So blieben gute Lehrer in der Vergangenheit häufig im Mittelbau stecken, während fleißige Forscher trotz schlechter Leistung in der Lehre aufsteigen konnten. Das immerhin ändert sich: Bei Bewerbern wird zunehmend auf die pädagogische Eignung geachtet, und neue Zentren für Hochschuldidaktik sollen die Lehrenden fit machen.

Ziel: Stoppt die Ökonomisierung!

Hintergrund: Der Vorwurf, Lehre und Forschung unterwürfen sich zu stark einem wirtschaftlichen Kalkül, richtet sich gegen verschiedene Veränderungen an den Hochschulen: gegen den Anspruch der Bologna-Reform, »berufsbefähigende« Kenntnisse zu vermitteln, gegen Lehrstühle, die von Wirtschaftsunternehmen gesponsert werden, oder gegen Hochschulvergleiche, die den wissenschaftlichen Wettbewerb anheizen. Ein Dorn im Auge vieler Studenten sind die Hochschulräte, in denen neben Wissenschaftlern oder Vertretern von Stiftungen oft Manager von großen Konzernen sitzen. Diese Gremien haben die Aufgabe, die Hochschulleitung zu beraten. Zudem bestimmen sie in der Regel über die Besetzung des Universitätspräsidiums mit. Die Hochschulräte sind Teil der neuen Verwaltungsstrukturen, die – angeregt durch neue Hochschulgesetze – viele Universitäten in den vergangenen Jahren eingeführt haben. Einerseits drängen sie den Einfluss des Staates zurück und geben den Universitäten mehr Selbstständigkeit, etwa bei der Ernennung neuer Professoren. Andererseits verleihen sie den Hochschulspitzen größere Machtbefugnisse und beschneiden den Einfluss traditioneller Hochschulgremien wie etwa den des akademischen Senats. Damit handelt sich die neue Universitätsarchitektur den Vorwurf ein, antidemokratisch zu sein.

Prognose: Es gibt kaum Chancen, dass die Länderparlamente die neuen Hochschulgesetze wieder ändern. Die Diskussion, welchen Einfluss Unternehmen in den Universitäten haben sollen, dürfte sich in den nächsten Jahren jedoch zuspitzen. Auch deshalb, weil die Hochschulen noch stärker als heute auf neue Geldquellen angewiesen sein werden.

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