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Eine Koalition links von der Mitte? (29. Oktober 2009)

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Die Interviewschlacht, die vor den Landtagswahlen in Thüringen und dem Saarland zwischen Grünen und Linken tobte, war deshalb weit mehr als wahltaktisches Scharmützel um ein paar Wählerstimmen. Man muss nur Vertreter beider Parteien in Berliner Hintergrundgesprächen übereinander herziehen hören, um zu begreifen: Hier soll zusammenwachsen, was ganz und gar nicht zusammengehört.

Vordergründig ist Rot-Rot-Grün in Hessen an den SPD-Abweichlern gescheitert, in Thüringen an den rot-roten Rangeleien ums Spitzenpersonal. In beiden Fällen waren die Grünen aber vor allem auf genügend Abstand bedacht, um aus dem rot-roten Debakel unbeschädigt hervorzugehen. Ähnliches gilt für die Linkspartei. Die verwirrenden Ansagen zur Erfurter Ministerpräsidentenfrage waren einer rot-rot-grünen Regierungsbildung so wenig dienlich wie Lafontaines Entschluss, seine Rückkehr ins Saarland anzudrohen. Nicht nur an der grünen Lagerzugehörigkeit sind am Ende dieses Wahljahres die Zweifel gewachsen, sondern auch an der Entschlossenheit der Linken, jenseits der bewährten, SPD-geführten Zweierbündnisse im Osten auch andernorts Regierungsverantwortung zu übernehmen.

Lieber zu zweit als zu dritt

Lange musste sich die SPD dafür beschimpfen lassen, dass sie zur Linkspartei keine Haltung fand. Am Ende zeigt sich: Es liegt nicht nur an der SPD. Eine entschlossene Wende in der Bündnispolitik allein wird die Macht noch nicht zurückbringen. Sicher ist vorerst nur: Überall dort, wo Zweiparteienbündnisse möglich sind, wird es auch dazu kommen.

Ein Modell, wie so etwas über die klassischen Lagergrenzen hinweg funktionieren kann, bietet die Hamburger Konstellation. Dort haben sich CDU und Grüne die wichtigste Zuständigkeit auf Landesebene, die Bildungspolitik, säuberlich aufgeteilt. Die Grünen haben sich bei der Schulpolitik durchgesetzt und dem Koalitionspartner dafür die Hochschulen überlassen. Angesichts der Streitereien über das Kohlekraftwerk Moorburg ist außerhalb der Landesgrenzen fast untergegangen, welche Revolution die Grünen mit der sechsjährigen Grundschule durchgesetzt haben. Das kann nur ermessen, wer sich die Reformresistenz des deutschen Bildungssystems vor Augen führt. Nicht einmal den Amerikanern war nach dem Krieg mit der Autorität einer Besatzungsmacht Vergleichbares gelungen.

Eine bleibende Veränderung des Wahljahres ist das Ende der Sonderrolle für die CSU. Noch an dem Abend, an dem er den Koalitionsvertrag unterschrieb, gab Parteichef Horst Seehofer den Anspruch auf die absolute Mehrheit in Bayern endgültig auf. Seine historische Leistung bestünde dann darin, die CSU mit ihrer Zukunft als Landesverband der CDU versöhnt zu haben.



Quelle: Ralph Bollmann, „Grüne und Linkspartei fremdeln: Die Mär vom linken Lager“, taz, 29. Oktober 2009, S. 12.

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