GHDI logo

Die Zukunft der SPD (6. September 2009)

Seite 2 von 2    Druckfassung    zurück zur Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument


Die kleine „große“ Koalition

Aber das ist Eis von gestern, ein Gletscher im Klimawandel. [ . . . ] Im Bund ist zwar einstweilen nicht damit zu rechnen, dass die Linkspartei zur SPD aufschließt. Aber dass sie ihr genug Stimmen abjagt, um sie auch dort deutlich unter dreißig Prozent zu drücken, ist wahrscheinlich.

Bei Parteien einer solchen Größenordnung stellt sich die Frage nicht mehr, ob sie Volksparteien sein wollen. Sie können es nicht sein, mangels Volk. Der Befund ist schlicht: Mit drei linken Parteien in den Parlamenten – Sozialdemokraten, Grünen und Linkspartei – wird die SPD bis auf weiteres nur mit den beiden anderen oder mit der Union zusammen regieren können. Jeder weiß das. Bleibt also die Hoffnung für die Sozialdemokratie, die Linkspartei wieder wegdrücken oder sich ein zweites Mal mit der bereits aus einer Zwangsvereinigung hervorgegangenen Ex-PDS-SED zu vereinigen.

Gnadenlos unter Druck

Wird also die Linkspartei verschwinden? Gegenfrage: Warum sollte sie? Im Osten hat sie eine geographische Basis, die sich als stabil herausstellt; eher als die SPD erfüllt sogar sie dort die Rolle einer Volkspartei, wenigstens habituell. Und was den Sprung über die Hürden im Westen betrifft, hat sie ihn geschafft. Gewiss, dank Lafontaine, auf dessen Tod oder Politikverdrossenheit die Sozialdemokratie nun zu hoffen scheint – nicht mal, weil sie nachtragend ist, sondern weil sie sich an den Traum klammert, dass dann „Die Linke“ im Westen wieder absinkt. Aber geschafft ist geschafft. Einmal im Parlament, erweist auch diese Partei ihren Wählern den Wert ihrer Stimme und schafft die Gründe, sie zu wählen, neu.

[ . . . ]

Aber auch die konsequente programmatische Abgrenzung zur Linkspartei macht diese nicht schwach, sondern stark - und vergrößert den Graben, der die SPD ohnehin durchzieht. Wie Müntefering sagte: „Der Fehler ist gemacht.“ Der Fehler war aber nicht Becks Brimborium, sondern die Agenda. Die SPD konnte Schröders Reformpolitik nicht ertragen. Obwohl sie richtig war. Vielleicht sogar, weil sie richtig war. Die Folgen jedenfalls sind nun nicht mehr rückgängig zu machen. Und deshalb war die Agenda falsch, jedenfalls wenn man als Maßstab den Wunsch nach Erhalt der SPD als Volkspartei zugrunde legt. Egal. Das Kapitel ist geschrieben, es wird in den Wahlen dieser Wochen gerade geschlossen.

Man sollte den Linksparteilinken gut zuhören: Lafontaine, Bisky, Ramelow. Deren Aussagen durchzieht so etwas wie ein solides Selbstbewusstsein, es ist ihnen die Gewissheit anzuhören, abzulauschen, dass sie die SPD realistischer sehen als die sich selbst. Lafontaine benennt seine Klientel unverhüllt: die Arbeitslosen, die Verängstigten, die – aufgepasst! – Rentner. Es ist die Klientel des Staates, deren Gedeih oder Verderb sicher nicht in eigenen Händen liegt. Und Lafontaine verspricht der SPD eine Machtoption. Die sich darüber nun also schon freut. Manche sehen endlich den Traum von der strukturellen „linken Mehrheit“ zum Greifen nahe, den sie nun schon seit dreißig Jahren aus Umfragen wringen. Wahrscheinlicher ist ein Nullsummenspiel. So oder so: Die SPD als Volkspartei gibt es nicht mehr.



Quelle: Volker Zastrow, „SPD im Dauertief: Requiem für eine Volkspartei“, FAZ.NET, 6. September 2009. © Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt. Zur Verfügung gestellt vom Frankfurter Allgemeine Archiv.

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite