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Bilanz der Großen Koalition (17. September 2009)

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Das kleine Wirtschaftswunder

Nicht nur die Stimmung, auch die Lage hat sich verändert. Vor der Finanzmarktkrise, in den ersten drei Jahren der Großen Koalition, sah es sogar wirklich so aus, als könne die Politik die Fließrichtung der deutschen Verhältnisse beeinflussen. Bei Wachstum, Arbeitsmarkt, Staatsfinanzen gelang der Großen Koalition eine spürbare Trendwende. Geradezu spektakulär entwickelte sich der Rückgang der Arbeitslosigkeit. 5 Millionen waren es unter Gerhard Schröder im Februar 2005, 4,6 Millionen zu Beginn der Großen Koalition, unter 3 Millionen im Herbst 2008. Die Wachstumsraten lagen weit über dem Durchschnitt des vergangenen Jahrzehnts, es gab Spielraum zur Senkung der Lohnnebenkosten, und der sozialdemokratische Finanzminister durfte ernsthaft darauf hoffen, in naher Zukunft einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. [ . . . ]

Dass die Erhöhung der Mehrwertsteuer um drei Prozentpunkte die Konjunktur ersticken würde, war der meisterhobene Einwand gegen die Konsolidierungsstrategie der Koalition. Es kam bekanntlich anders. Um 2,5 Prozent wuchs die Wirtschaft 2007, im Jahr der größten Steuererhöhung in der Geschichte der Republik. Höhere Steuern und Mehreinnahmen aus dem Boom schufen die Basis für die Erholung der Staatsfinanzen. Dazu beschloss die Koalition auch unpopuläre Subventionskürzungen – Eigenheimzulage, Sparerfreibetrag, Pendlerpauschale. Dass die Reduzierung der Pendlerpauschale von CDU und SPD einmütig gegen alle Angriffe von Linkspartei bis CSU verteidigt wurde, um dann vom Bundesverfassungsgericht kassiert zu werden, war bitter. Doch weit bitterer ist es, dass der vorsichtige Kurs einer nachhaltigen Finanzpolitik, den die Große Koalition eingeleitet hat, nun in eine Rekordverschuldung mündet, die durch die globale Finanzkrise erzwungen wurde. Mit der Schuldenbremse haben die beiden Volksparteien immerhin ihre Intention einer verantwortungsvollen Finanzpolitik im Grundgesetz verankert. Nur an den Haushaltszahlen der kommenden Jahre wird sie sich nicht ablesen lassen.

Das Ende der Reformen

Aus ihrer Reformphase vor 2005 haben SPD und Union kaum ein Vorhaben in die Große Koalition hinübergerettet. Die SPD litt zu sehr unter den Folgen ihrer Agenda-Politik, die Union unter der Fastniederlage 2005. Allein die Rente mit 67 atmete noch den Geist radikaler Reform. Noch einmal handelte die SPD gegen die unmittelbaren Interessen ihrer Anhängerschaft und für die Zukunftstauglichkeit des Solidarsystems. Es war der Schlusspunkt, weil der SPD die Kraft ausging, den Kurs der Selbstzerstörung zum Wohle der Allgemeinheit fortzusetzen. Hinzu kam, dass Angela Merkel schon alle Lust am radikalen Reformieren verlor, bevor sie damit im Herbst 2005 überhaupt hätte beginnen können. Lieber überholte die Union ihren Koalitionspartner links, so geschehen in der Kontroverse um die Verlängerung des Arbeitslosengeldes. [ . . . ]

An Strukturreformen hat die Koalition danach nicht mehr gearbeitet. Im Gegenteil, der demografische Faktor in der Rentenformel wurde für eine unplanmäßige Rentenerhöhung außer Kraft gesetzt, die Reform der Pflegeversicherung fiel weit kleiner aus als erhofft. Im Streit um die Gesundheitsreform demonstrierte die Koalition vielleicht am spektakulärsten reformerisches Unvermögen. [ . . . ]

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