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Rede von Friedrich Julius Stahl gegen eine Abschaffung der preußischen Verfassung (1853)

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Wir wollen nichts Ungemessenes, wir wollen ein wohl gefügtes, harmonisches Rechts-Ganze, in welchem jedem Element die ihm zukommende, nach höherer ewiger Ordnung ihm zukommende Sphäre angewiesen und rechtlich unverbrüchlich gesichert sei. Ich betrachte diese Verfassung, für die ich in der That keine besondere Vorliebe habe, doch als die erste Grundirung eines solchen harmonischen Bildes, und da ziemt es uns wohl, die Konturen zu berichtigen, ein richtiges Kolorit aufzutragen, nicht aber sie zu durchstreichen, da wir keine Gewißheit haben, daß die neue Grundirung gleich auf den ersten Wurf etwas Anderes und Besseres ergebe. (Hört, hört! und Bravo rechts.)

Desgleichen wollen wir eine Landesvertretung, aber in einem ganz anderen Geiste, als sie von 1815 bis 1848 in den Deutschen Landen bestanden hat: wir wollen in ihr nicht eine Schwächung der monarchischen Gewalt, nicht eine gegenseitige Controlle des Mißtrauens, wie der Herr Antragsteller sich ausdrückt, sondern wir wollen in ihr eine Stärkung der Krone, wir wollen durch sie der rechtlichen Macht der Krone auch noch die moralische Macht des öffentlichen Eindrucks hinzufügen. (Bravo rechts.)

Erinnern Sie sich, meine Herren, an unsere Verhandlungen über die Maßregeln gegen die Dissidenten, über die Herstellung der Kreis- und Provinzialstände, über das Einrücken Oesterreichischer Truppen in das Holsteinische. Hätte die Krone bei jenen Veranlassungen mehr Macht gehabt ohne die Kammern? Hat sie nicht vielmehr weit mehr Macht gehabt durch die Kammern? (Lebhafter Ruf; Sehr wahr, sehr richtig!)

Ausführen konnte sie das Alles auch in der unumschränkten Monarchie; aber es wäre, ein falsches Urtheil, ein Tadel, eine Anklage stehen geblieben – den moralischen Sieg hat die Krone damals durch die Verhandlungen der Kammern errungen! – Und wenn man die Kammern aufhebt, ist damit auch die Macht des öffentlichen Urtheils aufgehoben? Wird nicht vielmehr diese Macht dann allein der Tagespresse und dem Wirthshausgespräche verbleiben? Sind aber, die Kammern nicht ein viel zuverlässigeres und ein viel würdigeres Organ als jene?

Wir wollen ferner die Landesvertretung nicht, um den sogenannten Fortschritt, diesen großen Auflösungsproceß unserer Zeit zu befördern; im Gegentheil, um die Zustände zu erhalten und da, wo sie beschädigt sind, wieder herzustellen. Wir wollen nicht der Büreaukratie allein das Feld überlassen. (Bravo!)

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