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Die CDU verabschiedet ein neoliberales Programm (23. Februar 1994)

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Finanz- und Steuerpolitik

75. Die Rahmenbedingungen der Finanzpolitik haben sich durch den Aufbau der neuen Bundesländer für eine längere Übergangszeit stark verändert. Damit das Zusammenwachsen Deutschlands zügig vorangebracht wird, haben wir vorübergehend eine höhere Staatsverschuldung, ein Ansteigen des Staatsanteils, der Steuerbelastung und der Staatsausgaben in Kauf nehmen müssen. Im Anschluss daran muss jedoch die Verschuldung konsequent rückgeführt, alle öffentlichen Haushalte konsolidiert, der Staatsanteil am Bruttosozialprodukt vermindert und mittelfristig die Steuerbelastung gesenkt werden. Der Abbau der Staatsquote bei konsolidierten Staatshaushalten ist die Meßlatte aller finanzpolitischen Entscheidungen. Die Voraussetzungen zur Senkung der Verschuldung schaffen wir, indem wir die Aufgaben des Staates neu bestimmen. Wir müssen neu festlegen, welche öffentlichen Leistungen Vorrang haben, was der Staat und die Sozialversicherungssysteme leisten können, welche öffentlichen Dienstleistungen über Marktbeziehungen geregelt werden können und auf welche Leistungen wir verzichten müssen.

Erforderlich sind Strukturveränderungen und Umschichtungen, Ausgabenverminderungen und Effizienzsteigerungen. Indem wir deregulieren, entbürokratisieren und privatisieren, wollen wir erreichen, dass öffentliche Aufgaben effizienter und kostengünstiger wahrgenommen werden. Wir wollen mehr als bisher einen Teil der öffentlichen Aufgaben durch besondere Entgelte wie Preise und Gebühren und durch Selbstbeteiligungsanteile finanzieren. Dies erhöht die Kostentransparenz öffentlicher Angebote, begünstigt den Wettbewerb und führt zu einem kostengünstigeren und sparsameren Umgang mit öffentlichen Leistungen.

Um die öffentlichen Haushalte zu konsolidieren, ist ein nachhaltiger Subventionsabbau notwendig. Dauerhafte Subventionen lähmen die Marktkräfte, verzerren den Wettbewerb, behindern den Strukturwandel und die Wirtschaftsdynamik. Wir wollen Finanzhilfen, Steuervergünstigungen und sonstige subventionsähnliche Ausgaben weiter reduzieren. Subventionen sollten grundsätzlich befristet und degressiv gestaltet werden. Subventionsbetrug und Steuerhinterziehung müssen mit aller Konsequenz bekämpft werden.

76. Der Grundgedanke der sozialen Gerechtigkeit ist nicht nur bei den Empfängern staatlicher Leistungen, insbesondere bei Sozialleistungen, zu berücksichtigen, sondern auch bei der Belastung der Steuer- und Beitragszahler. Es geht nicht nur um Verteilungs-, sondern gleichermaßen auch um Leistungsgerechtigkeit. Steuern und Abgaben dürfen weder die private Initiative noch die Leistungsfähigkeit von Arbeitnehmern und Unternehmern lähmen.

Zur Erhöhung der Transparenz und der Gerechtigkeit sowie zur Verwaltungsvereinfachung streben wir an, das Steuersystem und die nicht auf Beiträgen beruhenden Sozialleistungen so weit wie möglich zu integrieren.

Wir wollen mittelfristig sowohl die Steuerbelastung insgesamt reduzieren als auch unser Steuersystem neu strukturieren. Die Belastung der produktiven Faktoren Kapital und Arbeit durch die direkten Steuern ist zu hoch. Wir wollen niedrigere direkte Steuersätze, aber eine breitere Steuerbemessungsgrundlage mit weniger steuerlichen Vergünstigungen und Ausnahmetatbeständen. Das dient zugleich der Vereinfachung und damit der Steuergerechtigkeit. Zugleich werden wir den Konsum, insbesondere bei Energieverbrauch und Umweltbelastungen, steuerlich stärker belasten müssen. Indem wir das Steuersystem ökonomisch und ökologisch neu orientieren, stellen wir wichtige Weichen zur Fortentwicklung der Ökologischen und Sozialen Marktwirtschaft. Dies entspricht auch den Erfordernissen im internationalen Wettbewerb der Unternehmensbesteuerung, da in vielen Staaten die direkten Steuersätze niedriger sind als in Deutschland. Das Sachkapital darf künftig steuerlich gegenüber dem Finanzkapital nicht benachteiligt sein. Ertragsunabhängige Steuern wollen wir vermindern und die EG-Steuerharmonisierung weiter vorantreiben.

Währungspolitik

77. Geldwertstabilität ist für eine solide wirtschaftliche Entwicklung und als Grundlage sozialer Gerechtigkeit von entscheidender Bedeutung. Stabilität dient den Sparern und Verbrauchern. Voraussetzung für den Erfolg der Geld- und Währungspolitik ist, dass alle Beteiligten im Wirtschaftsleben einschließlich der Tarifpartner und der öffentlichen Gebietskörperschaften ihren Stabilitätsbeitrag leisten.

In Europa ist es unser gemeinsames Anliegen, die Geldwertstabilität zu sichern. Einzelne Währungen und nationale Notenbanken allein können in zusammenwachsenden Märkten auf Dauer nicht für Währungsstabilität sorgen. Gerade das exportorientierte Deutschland benötigt die stabile Kaufkraft des europäischen Marktes. Wir streben eine Wirtschafts- und Währungsunion an, deren Voraussetzung die strikte Einhaltung der im Vertrag von Maastricht festgelegten Konvergenzkriterien ist. Beim Eintritt in die Währungsunion werden hohe Maßstäbe an die wirtschaftlichen Voraussetzungen der teilnehmenden Länder, vor allem hinsichtlich niedriger Inflationsraten und ihrer Haushaltsdisziplin, angelegt. Diese Maßstäbe dürfen nicht verändert werden.

Die geldpolitische Verantwortung soll in der Wirtschafts- und Währungsunion auf die Europäische Zentralbank übertragen werden, die — wie die Deutsche Bundesbank — unabhängig und vorrangig der Preisstabilität verpflichtet ist. Wir wollen mit der Europäischen Währungsunion die notwendigen Voraussetzungen für eine konsequent am Ziel der Geldwertstabilität ausgerichtete gemeinsame europäische Währung schaffen, die ebenso stabil sein muss wie die Deutsche Mark.

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