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Die Geburtenrate sinkt weiter (1. Februar 2010)

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Insofern sind die in den letzten Jahren mit viel medialem Tamtam geführten Diskussionen um kinderlose „Karrierefrauen“ völlig fehl am Platz gewesen. Nach wie vor muss eine Frau in Deutschland damit rechnen, dass die Geburt eines Kindes zum langfristigen oder endgültigen beruflichen Ausscheiden führt. Dabei fühlen sich Frauen in Deutschland nach dem veränderten Scheidungsgesetz noch stärker unter Druck gesetzt, arbeiten zu müssen. Denn wenn die Ehe scheitert, erhalten sie nun nur noch wenige Jahre Unterhalt.

Noch in jüngster Zeit wurden fragwürdige Prioritäten gesetzt (die Abwrackprämie konnte schneller beschlossen werden als eine Erhöhung der Kinderbetreuungsplätze). Nur wenige zukunftsweisende Impulse wurden für eine zeitgemäße Familienpolitik gegeben. Während in Deutschland die Herdprämie diskutiert wird, sagt der französische Familienminister Philippe Bas provokant „Kinder sind erfolgreicher, wenn die Mutter arbeitet“. Zumindest zeigen vom französischen Familienministerium in Auftrag gegebene Studien, dass die Berufstätigkeit der Mütter kein Handicap für den Erfolg der Kinder in der Schule ist.

Zu dem umfassenden Betreuungsangebot kommen in Frankreich großzügige finanzielle und steuerliche Erleichterungen, vor allem nach Geburt des zweiten Kindes, sowie Anreize für den raschen beruflichen Wiedereinstieg der Mütter hinzu. Denn auch die französischen Familien sind meist auf zwei Gehälter angewiesen. Eltern, die drei Kinder haben, sind faktisch von der Steuer befreit. Und es gibt ein dreijähriges Elterngeld. Auch im Detail sind die „französischen Verhältnisse“ familienfreundlicher: Einem Vater in Deutschland steht nach der Geburt seines Kindes ein arbeitsfreier Tag zu, in Frankreich sind es vierzehn Tage. Und Mütter erhalten 16 Wochen bezahlten Mutterschaftsurlaub.

Die französische Sozialpsychologin Dominique Frischer ist überzeugt davon, dass die Vereinbarkeit von Mutterschaft und Berufstätigkeit der Grund für den französischen Baby- Boom ist. Auf die höhere Anzahl von Migrantenkindern ist die Geburtenrate jedenfalls nicht zurückzuführen. Einwanderer in Frankreich passen sich nämlich in ihrer Geburtenrate relativ bald dem Landesdurchschnitt an.

Es gibt also familien- und bildungspolitisch viel zu tun. Zuviel, um ins Metaphysische abzugleiten.



Quelle: Tanja Dückers, „Religiosität hilft nicht,“ ZEIT online, 1. Februar 2010.

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