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Bernhard von Bülow, „Revolution in Berlin” (posthume Veröffentlichung 1931)

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Ich habe schon hervorgehoben, daß, wenn die deutsche Revolution wie die aus ihr hervorgegangene Republik die charakteristischen Merkmale philiströsen Spießbürgertums trug, insbesondere in ihren Führern den Charakter vollendeter Mittelmäßigkeit, es dafür wenigstens in Berlin nicht zu schlimmeren Exzessen kam. [ . . . ]

Vielfach waren es unreife, jugendliche Elemente, die in Berlin der Entwicklung der ersten Monate das Gepräge gaben. Als wir noch im Hotel Adlon weilten, unmittelbar nach der Revolution, drang eines Abends, während ich, einer Einladung zu einem Herrendiner folgend, nicht zu Hause war, ein angeblicher „Kommissar der Republik“ in unseren Salon ein und richtete an meine Frau die Frage, ob bei uns Offiziere versteckt wären, ob ich meine Militäruniform mitgebracht hätte oder ob ich gar Waffen bei mir führe. Als meine Frau höflich erwiderte, daß ihr von derartigen, für die Sicherheit der Republik bedrohlichen Anschlägen und Rüstungen nichts bekannt wäre, entfernte sich der „Kommissar“ mit einer verlegenen Entschuldigung. Ein anderes Mal sprang, als wir durch einen langen Korridor gingen, aus einer Lifttür ein nach seinem Aussehen kaum siebzehnjähriger Bursche heraus, in jeder Hand einen Revolver. Als meine Frau ihn frug, was ihn veranlasse, die Feuerwaffe auf sie zu richten, erwiderte er mit kindlichem Ausdruck: „Ach, entschuldigen Sie, gnädige Frau, aber wir sind alle so schrecklich aufgeregt. Wir sollen doch die Republik verteidigen, da muß man einen Revolver haben, aber wir wollen Ihnen nichts Böses tun. Wenn Sie wünschen, werden wir Sie gern auf Ihrem Spaziergang als Schutzwache begleiten.“ Ich lehnte diese republikanische Ehrengarde mit freundlichem Dank ab. [ . . . ]

Als der Besitzer des Hotels Adlon mich bat, unser Appartement zu räumen, da er bei der Möglichkeit von Straßenkämpfen auf dem Pariser Platz für seine kostbaren Fensterscheiben fürchte und die Fensterläden geschlossen halten müsse, hielt ich es für besser, ein anderes Quartier aufzusuchen. [ . . . ]

Als das uns im Hotel Eden in Aussicht gestellte Appartement frei wurde, übersiedelten wir von der Kurfürstenstraße nach dem Kurfürstendamm. Einige Tage nach unserer Ankunft erblickte ich im Korridor Uniformen und erfuhr, daß der Stab der Gardekavallerie-Division nach dem Hotel Eden verlegt worden wäre. Am nächsten Morgen wurde uns erzählt, daß in der Nacht Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg dem Militärgericht der Gardekavallerie-Division vorgeführt worden wären. Bei seinem Abtransport sei Liebknecht bei einem Fluchtversuch im Tiergarten erschossen worden. Rosa Luxemburg wäre, als sie aufrührerische Rufe ausstieß, von einem Soldaten durch einen Kolbenschlag der Schädel eingeschlagen worden. Wir hatten von dem ganzen Vorgang nichts gemerkt.



Quelle: Bernhard Fürst von Bulöw, Denkwürdigkeiten. Dritter Band. Weltkrieg und Zusammenbruch. Berlin: Ullstein, 1931, S. 305-12.

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