GHDI logo

Der weite Weg zur Gleichberechtigung (November 2005)

Seite 2 von 2    Druckfassung    zurück zur Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument


Gelegentlich wurden gleichstellungsrelevante Gesetzesänderungen nachträglich wieder eingeschränkt, weil sie mit den Rechten Dritter nicht vereinbar schienen, so die für Frauen relativ günstigen Unterhaltsregelungen der Eherechtsreform von 1976 oder die 1974 verabschiedete Fristenregelung für den Schwangerschaftsabbruch, die nach einer Intervention des Bundesverfassungsgerichtes 1994 zu einer Indikationsregelung mit Beratungspflicht wurde. Die Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten von Frauen, die Etablierung egalitärer Geschlechterverhältnisse in unterschiedlichen Lebensbereichen und die Entwicklung fairer Partnerschaft sind also langfristige Prozesse. Sie schreiten in unterschiedlichen Teilen der Gesellschaft mit unterschiedlicher Geschwindigkeit voran. Vormals aufeinander abgestimmte Muster der Lebensführung von Frauen und Männern geraten nicht selten auf neue Weise in Widerspruch zueinander. Die pluralen Lebensmuster von Frauen und Männern machen es nicht einfach, partnerschaftliche Lebensmodelle politisch zu stützen.

Wichtige Impulse zu Gesetzesänderungen, aber auch zu einer veränderten gesellschaftlichen Praxis gingen von der neuen Frauenbewegung, von Frauengruppen in Parteien und Gewerkschaften und von Frauenverbänden aus. Sie wurden von Frauenbeauftragten zum Beispiel in Kommunen und Betrieben aufgegriffen. Es wurden Frauenförderpläne, Quoten und Quoren vereinbart. Diese ebneten qualifizierten Frauen in manchen Bereichen den Weg bis in Spitzenpositionen.

Von zentraler Bedeutung für die Gleichstellungspolitik waren und sind die Vereinbarungen zwischen den EU-Staaten. Von besonderer strategischer Relevanz war in den letzten Jahren die 1996 in Amsterdam getroffene Vereinbarung zum Gender Mainstreaming. Sie verpflichtet alle Akteurinnen bzw. Akteure im politisch-administrativen System, ihre eigenen Programme, Regelungen und Entscheidungen daraufhin zu überprüfen, ob sie (etwa indirekt) ein Geschlecht benachteiligen.

Gravierende Veränderungen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft erzeugen immer wieder auch neue Ungleichheiten im Geschlechterverhältnis, während die bekannten Disparitäten sich auch nur langsam reduzieren. Dementsprechend gibt es bis heute Bereiche, in denen das Versprechen des Art. 3 Absatz 2 des Grundgesetzes „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ mit seiner im Oktober 1994 verabschiedeten Ergänzung: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin“, nicht eingelöst ist.

Die Debatte um den nun vorliegenden Entwurf für ein Antidiskriminierungsgesetz wird die Sensibilität für Gleichstellungsfragen sicherlich erhöhen. Dabei werden sich neben Frauen verstärkt auch andere gesellschaftlich benachteiligte Gruppen zu Wort melden: zum Beispiel Gruppen, die über Staatsangehörigkeit definiert sind, Gruppen mit fremden Weltanschauungen oder behinderte Menschen. In dieser Debatte ist es wichtig, die verbliebenen Diskrepanzen der Lebensverhältnisse von Frauen und Männern präzise benennen zu können.

Es lohnt sich also, einen Blick auf den aktuellen Stand der Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland zu werfen.

[ . . . ]



Quelle: Gender-Datenreport, 1. Datenreport zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesrepublik Deutschland, November 2005, http://bmfsfj.de/Publikationen/genderreport/0-einleitung.html.

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite