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Die Katholiken: Die Versammlung der katholischen Vereine des Rheinlands und Westfalens (1849)

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Ebensowenig möchte ich es wagen, wenn über eine Frage, z.B. über die größere oder geringere Ausdehnung des Wahlrechts oder über den Umfang der Repressivmittel gegen Mißbrauch der Presse Parteiungen entstehen, derjenigen Partei, welche die der meinigen entgegengesetzte Meinung verficht, sofort auch den Vorwurf zu machen, daß sie einer antikatholischen Politik huldige. Einer der größten Theologen hat allerdings den Versuch gemacht, ein System der Politik im Geiste der Kirche und nach ihren Grundsätzen zu schreiben; ich meine das Werk Bossuets: »Politique tirée de l'écriture sainte«. Aber gerade dieses Werk zeigt auf schlagende Weise, wie schwierig es ist, auf diesem Felde zu einer Übereinstimmung zu gelangen und wie wandelbar hier die Meinungen und Systeme sind, während doch gerade alles, was auf die Geltung eines katholischen Prinzips Anspruch macht, auch den der kirchlichen Lehre eigentümlichen Charakter der Unwandelbarkeit tragen müßte. Bossuet hat in seinem Buche über die Rechte der Monarchen und die Verpflichtungen der Völker zu unbedingtem Gehorsam und passiver Widerstandslosigkeit, selbst gegen Tyrannei, Grundsätze aufgestellt, die gegenwärtig die große Mehrzahl der Katholiken in Deutschland sowohl als in Frankreich weit von sich weisen würde; er aber und wohl auch Millionen seiner Zeitgenossen mit ihm hielten dergleichen wirklich und aufrichtig für katholische Politik. So veränderlich sind hier die Systeme und so mißlich, ja so unverantwortlich wäre es, in Dingen, welche die Kirche von jeher dem Urteil der einzelnen freigegeben hat, die Geister binden zu wollen.

Für die Geistlichen, welche doch in den Piusvereinen eine sehr bedeutende Stelle einnehmen, ist eine der Politik des Tages zugewandte Tätigkeit, die noch dazu häufig den Charakter politischer Agitation annehmen würde, mit ganz besonderem Nachteil verknüpft. Ich erinnere mich hier der Antwort, die mir ein katholischer, zugleich in Irland ansässiger Engländer gab. Ich hatte ihn damals, als O'Connells Agitation den Gipfel erreicht hatte, gefragt, was er von der Teilnahme der irischen Geistlichkeit an dieser Agitation halte. Ich fürchte, erwiderte er mir, daß man, um einen augenblicklichen Vorteil zu erlangen, ein dauerndes Unheil anrichte.

Das war die Ansicht eines Mannes, der sonst dem religiösen und sittlichen Charakter der irischen Geistlichkeit, ihrer Aufopferungsfähigkeit und dem unbedingten Vertrauen, welches das Volk in sie setzte, eine warme Lobrede hielt, der aber meint, daß die echt priesterliche Tätigkeit des Klerus und die politische notwendig auf die Dauer beeinträchtigt und gelähmt werden müsse; und wenn eine derartige Beteiligung an der Politik von Seiten der Geistlichen irgendwo entschuldigt oder beziehungsweise gerechtfertigt werden kann, so ist dies in Irland der Fall, wo das katholische Volk, von den höheren, ihm größtenteils feindlichen Ständen verlassen, niemand hat, von dem es Rat, Leitung und Hilfe erwarten könnte, als seine Priester. Man wird mir hier entgegnen, es sei ja nicht die Geistlichkeit, sondern die zum größten Teil auch aus Weltlichen bestehenden Vereine seien es, welchen eine politische Tätigkeit zugemutet werde. Aber die geistlichen Glieder dieser Vereine müßten ja doch an dieser Tätigkeit teilnehmen; sie müßten wohl, in den Landgemeinden wenigstens, selbst das meiste dabei tun, und ist es dann nicht eine gegründete Besorgnis, daß der Schaden, der dadurch gestiftet würde, häufig größer und gewiß dauerhafter sein würde als der Nutzen. Es wird nicht zu vermeiden sein, daß die Stellung des Geistlichen zu seiner Gemeinde, daß sein priesterliches Ansehen darin gefährdet und beeinträchtigt werde. Häufig wird der Priester mit einem einer anderen Politik folgenden oder von einem anderen politischen Führer geleiteten Teile seiner Gemeinde in einen Konflikt geraten, der nur schwer wieder beigelegt werden könnte, und es läßt sich nicht erwarten, daß die Menschen immer oder auch nur häufig zwischen dem politischen Charakter und dem Seelsorger unterscheiden, daß sie dem letzteren das Vertrauen bewahren werden, welches sie dem ersteren entzogen haben.

Mit Recht hat ein früherer Redner auf Nordamerika und das Beispiel der dortigen katholischen Geistlichkeit hingewiesen. Dort vermeidet es der Klerus aus Grundsatz, in die politischen Kämpfe und Parteiungen sich einzumischen. Dies hindert jedoch nicht, daß das katholische Volk im ganzen einer eigenen politischen Richtung folge, und es ist eine schon von Tocqueville hervorgehobene Tatsache, daß die Katholiken dort der großen Mehrzahl nach der demokratischen Partei im Gegensatz zu den aristokratischen Wighs [sic] angehören.

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