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„Koalition der neuen Möglichkeiten” (30. November 2005)

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Alle Wege vor 1989 endeten an einer Mauer, die nur wenige Meter von diesem Platz entfernt unser Land für alle Zeit zu zerschneiden schien. Wenn Sie schon einmal in Ihrem Leben so positiv überrascht wurden, dann halten Sie vieles für möglich. Dabei möchte ich bleiben.

Ich habe die neue Koalition eine „Koalition der neuen Möglichkeiten“ genannt. Ich wünsche mir, dass sie unserem Land und allen Deutschen neue Möglichkeiten eröffnet, und ich wünsche mir, dass wir diese Chancen dann auch wirklich nutzen und wahrnehmen. Das heißt für mich konkret: Der Anspruch der neuen Bundesregierung an sich und an das Land ist nicht gering. Wir wollen die Voraussetzungen schaffen, dass Deutschland in zehn Jahren wieder zu den ersten drei in Europa gehört. Ich finde, das ist ein legitimer und wichtiger Anspruch.

Das Grundgesetz, die soziale Markwirtschaft, die duale Berufsausbildung, all das waren Ideen, die die Menschen in der gesamten Welt inspirierten. In Deutschland wurde das erste Auto gebaut und der erste Computer, in Deutschland wurde das Aspirin entwickelt. Von diesen Innovationen zehren wir noch heute. Warum soll uns das, was uns früher und was uns zu Beginn dieser Bundesrepublik Deutschland, in den ersten Gründerjahren, gelungen ist, heute, in den – wie ich sage – zweiten Gründerjahren, nicht wieder gelingen?

Lassen Sie uns also alle damit überraschen, was wir in diesem Lande können.

Eine große Koalition zweier unterschiedlicher Volksparteien eröffnet die ganz unerwartete Möglichkeit, zu fragen, was wir gemeinsam besser machen können – ohne uns dabei dauernd mit Schuldigkeiten aufzuhalten, ohne dauernd mit dem Finger auf den anderen zu zeigen und zu fragen, welchen Missstand der andere – natürlich ganz allein – herbeigeführt hat. Denn eines ist klar: Wir alle, ob wir es zugeben oder nicht, tragen Verantwortung dafür, dass wir heute die Möglichkeiten unseres Landes noch nicht voll ausschöpfen: Unser Wachstum kommt seit Jahren nicht mehr richtig in Schwung, die Verschuldung ist in erschreckende Höhen gestiegen, der Aufholprozess der neuen Bundesländer ist seit Jahren gestoppt und ohne den Automobilsektor wäre Deutschland nicht mehr ein solches Hightechland, wie ich mir das wünsche. PISA zeigt, dass wir an vielen Stellen nicht mehr einfach sagen können: Wir sind eine Bildungsnation. Den rapiden Wandel der Arbeitswelt haben wir noch nicht bewältigt. Deutschland ist nicht hinreichend auf die demographischen Veränderungen vorbereitet. Auch auf die Bedrohungen neuer Art und die fließenden Grenzen zwischen innerer und äußerer Sicherheit haben wir noch keine umfassenden Antworten gefunden.

Wir alle kennen die Probleme und ich kann sagen: Die große Koalition hat die Lage unseres Landes ehrlich analysiert und wir haben auch gemeinsam die Chance erkannt, die Möglichkeiten unseres Landes besser zu nutzen. Warum sollten wir nicht alle damit überraschen, was in diesem Land gelingen kann?

Wir wissen, wir haben dicke Bretter zu bohren: Wir wollen den Föderalismus neu ordnen, wir wollen den Arbeitsmarkt fit machen, wir wollen unsere Schulen und Hochschulen wieder an die Spitze führen, wir wollen unsere Verschuldung bändigen und unsere Gesundheits- und Renten- und Pflegesysteme in Ordnung bringen. Niemand kann uns daran hindern – außer wir selbst. Deshalb lassen Sie uns verzichten auf die eingeübten Rituale, auf die reflexartigen Aufschreie, wenn jemand etwas verändern will. Es sollte wirklich einmal möglich sein, dass wir in dieser großen Koalition dieses alles hinter uns lassen und neue Wege gehen.

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