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Deutsche Einheit im Mittelpunkt (30. Januar 1991)

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Anders als bei der Regierungsübernahme der heutigen Koalition 1982 ist die wirtschaftliche Lage heute ausgezeichnet. Die Aussichten für die 90er Jahre sind ermutigend. In den alten Bundesländern erleben wir eine Hochkonjunktur. Die Wachstumskräfte sind gestärkt, die Investitionsbereitschaft der Unternehmen ist hoch, die Zukunftserwartungen sind günstig. Unsere Währung ist stabil und weltweit anerkannt; Löhne und Renten sind in den vergangenen Jahren kräftig gestiegen. Ganz besonders erfreulich ist in der bisherigen Bundesrepublik der Rückgang der Arbeitslosigkeit – verbunden mit einer Beschäftigungsdynamik, wie wir sie seit der Aufbauzeit der 50er Jahre nicht mehr erlebt haben.

Meine Damen und Herren, die ungewöhnlich kräftige Wirtschaftsentwicklung im bisherigen Bundesgebiet ist zu einem erheblichen Teil auch Folge des marktwirtschaftlichen Umstrukturierungsprozesses in den neuen Bundesländern. Noch richtet sich die Nachfrage von Konsumenten und Unternehmern aus dem Beitrittsgebiet zu einem großen Teil auf westliche Gebrauchsgüter, Maschinen und Anlagen. Das beschert den Unternehmen in den alten Bundesländern volle Auftragsbücher, den Finanzministern und Stadtkämmerern unerwartet hohe Steuereinnahmen. Es ist deshalb ein Gebot der Solidarität, diese Mittel in die neuen Bundesländer zurückzuleiten, und zwar in Form privater Investitionen und vor allem für eine bessere Finanzausstattung der neuen Länder und Kommunen. Das ist ein wichtiger Beitrag zur Erfüllung unserer großen gemeinsamen Aufgabe, jetzt auch die innere Einheit unseres Vaterlandes auf wirtschaftlichem, sozialem und ökologischem Gebiet zu verwirklichen.

Meine Damen und Herren, für diese Aufgabe gibt es in der Geschichte kein Vorbild. Niemals zuvor ist versucht worden, eine sozialistische Kommandowirtschaft in eine Soziale Marktwirtschaft umzuwandeln. Vor allem die Finanzpolitik muß sich in dieser Situation in besonderer Weise bewähren. Zum einen gilt es, Verläßlichkeit und Berechenbarkeit der Finanzpolitik zu gewährleisten. Das ist die beste Investitionsförderung und damit zugleich Voraussetzung für zusätzliche, neue und für sichere Arbeitsplätze.

Zum anderen gilt es, die knappen öffentlichen Mittel verstärkt dorthin zu leiten, wo der Bedarf besonders dringlich und wo die Wirkung am größten ist. Der Eckwertebeschluß der Bundesregierung von Mitte November 1990 entspricht dieser Linie. Er wird durch die Koalitionsvereinbarungen ausgefüllt. Der vorübergehend hohe Kreditbedarf der öffentlichen Haushalte muß schnell und erkennbar zurückgeführt werden. Und schon gar nicht dürfen wir das Vertrauen der Kapitalmärkte in eine stabile D-Mark gefährden.

Meine Damen und Herren, so wie es uns nach 1982 gelungen ist, werden wir auch jetzt die Neuverschuldung so schnell wie möglich wieder verringern. Bereits in diesem Jahr werden wir, wie im November angekündigt, eine Entlastung des Bundeshaushalts von 35 Milliarden DM erzielen. Die Nettokreditaufnahme des Bundes wird auf höchstens 70 Milliarden DM begrenzt. Notwendig ist allerdings auch, daß Länder und Gemeinden ihrerseits einen spürbaren Beitrag zur Begrenzung der Verschuldung leisten. Hinzu kommen jetzt Belastungen, die sich aus den jüngsten Veränderungen der Weltlage ergeben. Diese Veränderungen nehmen auch uns Deutsche verstärkt in die Pflicht. Unsere Partner und Verbündeten können die Bürde der Verteidigung von Recht und Freiheit am Golf nicht allein tragen. Sie können weiterhin mit unserer Unterstützung rechnen. Auch nach dem Ende der militärischen Auseinandersetzungen am Golf werden die Staaten dieser Region, die darunter besonders zu leiden haben, auf eine umfassende Hilfe von außen angewiesen sein. Auch die Bundesrepublik Deutschland ist gefordert.

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