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Deutsche Einheit im Mittelpunkt (30. Januar 1991)

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Ich würdige an dieser Stelle aber auch ausdrücklich den Beitrag von Präsident Michail Gorbatschow zur deutschen Einheit. Viele haben uns in dieser Zeit auf dem Weg zur deutschen Einheit ein hohes Maß an Vertrauen entgegengebracht. Dieses Vertrauen zu erhalten, zu stärken und – das sage ich auch – sich seiner als würdig zu erweisen, das ist und bleibt Leitlinie unserer Politik.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, an uns Deutsche richten sich hohe Erwartungen. Dies gilt nach der Wiedervereinigung gewiß noch stärker als zuvor. Ob wir diesen Erwartungen genügen und unserer Verantwortung in der Welt entsprechen können, hängt in besonderer Weise auch von dem wirtschaftlichen Erfolg unserer Unternehmen – der Arbeitgeber, der Arbeitnehmer – und aller anderen Gruppen in unserer Gesellschaft ab. Dabei – ich will das klar aussprechen – ist wirtschaftlicher Erfolg kein Selbstzweck, und in ökonomischer Stärke sehen wir kein Ziel an sich. Aber hohe wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ist eine notwendige Voraussetzung für Wohlstand und soziale Sicherheit in ganz Deutschland, für den wirksamen Schutz von Natur und Umwelt und für die Hilfe, die wir außerhalb unserer Grenzen leisten können und die von uns erwartet wird. Erst ein solides wirtschaftliches Fundament eröffnet politische, wirtschaftliche und soziale Handlungsspielräume hierzulande und darüber hinaus.

Meine Damen und Herren, in den kommenden Monaten und Jahren hat ein Ziel hohe Priorität – für mich absolute Priorität –: gleiche Lebensverhältnisse für die Menschen in ganz Deutschland herbeizuführen. Dieses Ziel können wir nur gemeinsam erreichen. Das erfordert Solidarität und gesamtstaatliche Verantwortung von allen Bürgern – von den Verantwortlichen in der Wirtschaft, von den Tarifparteien, vom Bund, von Ländern und Gemeinden. Es ist eine Aufgabe für alle Deutschen. Die Schwierigkeit dieser Aufgabe ist für jedermann erkennbar. Eingehende Prüfungen und Analysen haben unsere Befürchtungen bestätigt: Die Erblast aus 40 Jahren Sozialismus und Kommunismus in der bisherigen DDR ist zutiefst bedrückend. Fehlende Wettbewerbsfähigkeit vieler Unternehmen und Produkte, hohe Arbeitslosigkeit, vielfache Zerstörung der Umwelt, Verfall der Bausubstanz und eine verbrauchte Infrastruktur – dies ist die eine Seite der Bestandsaufnahme.

Dem stehen auf der anderen Seite der Wille der Menschen zu Neubeginn und Wiederaufbau sowie die Wirtschaftskraft des vereinten Deutschlands gegenüber. Ich bin sicher, dies ist ein Fundament, auf dem wir die gewaltigen Anstrengungen unternehmen können und dabei auch bestehen werden. Die Soziale Marktwirtschaft bietet dafür beste Voraussetzungen – Voraussetzungen, die wir auch in den kommenden Jahren bewahren und fortentwickeln wollen. Unser Bewußtsein für die Wurzeln von Freiheit und Wohlstand ist nicht zuletzt durch die historischen Umbrüche in Deutschland und Europa gestärkt worden. Überall wo die Menschen wirklich die Wahl haben, votieren sie mit aller Entschiedenheit für die Soziale Marktwirtschaft als freiheitliche Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Dieser Wille findet sich eindrucksvoll bestätigt im Abschlußdokument der Bonner KSZE-Wirtschaftskonferenz vom Frühjahr 1990. Alle Unterzeichnerstaaten aus Ost und West unterstreichen darin den unauflöslichen Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher und politischer Freiheit. Auf dieser Basis hat unsere Politik – zusammen mit der hohen Leistungsbereitschaft aller – im Westen Deutschlands zu einem beispiellosen Maß an wirtschaftlicher Dynamik und sozialer Sicherheit geführt.

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