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Der Integrationsbericht: überraschend positive Ergebnisse (20. Mai 2010)

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Ausländische Schüler schneiden schlechter ab

Ähnlich wie in internationalen Vergleichsstudien (leider wurde die Übergangs-Studie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung noch nicht rezipiert) – schneiden ausländische Schüler insgesamt schlechter ab. 19,2 Prozent der Jungen verlassen die Hauptschule ohne Abschluss, während Mädchen viel öfter das Abitur erreichen (19 Prozent im Vergleich zu 16 Prozent der Jungen). Marokkaner haben nur halb so große Chancen, die (Fach-) Hochschulreife zu erlangen wie deutsche Jugendliche, bei türkischen und italienischen Jugendlichen ist die Chance noch geringer. Auch Libanesen, Albaner und Serben gehören zu den Problemkandidaten, Russen und Asiaten hingegen nicht. Der Sachverständigenrat fordert in seinem Bildungs-Kapitel, über das äußerst kontrovers diskutiert wurde, deshalb eine hohe Durchlässigkeit des Schulsystems, von kurzschlüssigen Plädoyers für längeres gemeinsames Lernen hat er sich zumindest halbherzig distanziert.

Aufschlussreich ist ein sogenanntes Integrations-Paradox in der Bildung. Während deutsche Eltern positive Erfahrungen mit ethnischer Heterogenität in Institutionen des Bildungssystems haben, sinkt die Bereitschaft der deutschen Bevölkerung mit wachsendem Bildungsniveau, ihr eigenes Kind auf eine Schule mit hohem Einwandereranteil zu geben. Den Schulen wird ein produktiver Umgang mit Heterogenität offensichtlich nicht zugetraut.


Plädoyer für eine „proaktive“ Einwanderungspolitik

Im Arbeitsmarkt gebe es ein „quantitatives und ein qualitatives Migrationsproblem“. Deshalb müsse Deutschland neben einer Bildungs- und Qualifikations-Offensive im Innern eine „proaktive“ Einwanderungspolitik betreiben und vor allem für qualifizierte Einwanderung attraktiver werden. Noch immer ist der Weggang qualifizierter Ausländer größer als der Zugang besonders qualifizierter. Mit höheren formalen Qualifikationen ist es in Deutschland kein Problem für Ausländer, eine Stelle zu bekommen – nur bei Türken scheinen kleinere Unternehmen noch ablehnend zu sein.

Ernüchternd ist, dass 20 bis 30 Prozent der Jugendlichen, die im sogenannten Übergangssystem zur Nachqualifizierung fehlender Abschlüsse waren, auch drei Jahre danach noch keine Ausbildung beginnen. 29 Prozent der ausländischen Jugendlichen kommen gar nicht erst ins Übergangssystem, sondern fallen zunächst völlig aus dem Berufsbildungssystem heraus. Das Übergangssystem sollte in seiner jetzigen Form abgeschafft oder vollständig neu strukturiert werden, fordert der Sachverständigenrat. Er schlägt niedrigschwellige Möglichkeiten für Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss vor.

Für das Integrations-Barometer wurden dieselben Fragen an Einwanderer wie an Deutsche gestellt – dazu gab es eine quotierte Stichprobe von 5600 Befragten in den älteren Einwanderungs-Regionen Rhein-Ruhr, Stuttgart und Rhein-Main, wobei Türken, Aussiedler, Ausländer, die nicht der EU angehören, sowie Afrikaner, Asiaten und Lateinamerikaner befragt wurden. Berlin als relativ „neues“ Einwanderungs-Gebiet fehlt leider, soll aber beim nächsten Integrations-Barometer in zwei Jahren erfasst werden.

Hier gibt es spezifische Probleme durch den Wegfall industrieller Arbeitsplätze, durch hohe Transferabhängigkeit und durch eine hohe Einwanderung von Türken und Flüchtlingen aus den arabischen Staaten. In Berlin ist die Arbeitslosigkeit unter Einwanderern (30 Prozent) auch doppelt so hoch wie in den übrigen Gebieten. Insgesamt ist das Risiko für Ausländer, arbeitslos zu werden, in den Niederlanden drei Mal so hoch wie in Deutschland.



Quelle: Heike Schmoll, „Im Einwanderungsland angekommen“, FAZ.NET Feuilleton, 20. Mai 2010. © Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt. Zur Verfügung gestellt vom Frankfurter Allgemeine Archiv.

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