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Die Katholiken: Die Versammlung der katholischen Vereine des Rheinlands und Westfalens (1849)

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Nicht nach der flüchtigen Zukömmlichkeit des Tages, nicht nach dem Rat der irrenden Stunden – nein, meine Herren, nach den ewigen Grundsätzen der Gerechtigkeit, nach den bleibenden Zielen der Geschichte eines Volkes und nach den Gestirnen, welche die Kirche Gottes den in der Geschichte wandernden Stämmen der Menschheit als Zeichen für ihren großen weiten Wandelgang aufrichtet und welche ihr leitendes Licht hinabstrahlen in das Gewissen jedwedes Menschen – treibt der Katholik Politik. Und diese Politik, von welcher freilich die Kabinette der Fürsten und die Hallen der Verfassunggebenden Versammlungen nur wenig hören, die trage ich in die katholischen Vereine und möchte um sie sammeln die auseinanderfahrenden Überzeugungen meiner Brüder. Und täte ich dieses nicht bei meiner Überzeugung von dem Segen, von der Notwendigkeit dieses Verfahrens, ich könnte es nicht vor meinem Gewissen, nicht vor dem großen Vaterland, nicht vor meiner Kirche und vor dem ewigen Gott verantworten.

Überhaupt scheinen mir über die Beteiligung der katholischen Vereine an der Politik große Mißverständnisse, jedoch mehr in der Lehre als im Leben obzuwalten. Das Leben der Nation, das Leben des Einzelnen läßt sich nicht durch Pläne abgrenzen. Wer gibt mir die Grenzmarke an, wo der Christ aufhört und der Patriot anfängt, ich glaube vielmehr, beide stecken ineinander. (Bravo). Wir müssen daher Übergänge annehmen; das Verlassen des Prinzips hilft uns nichts, sondern es gilt, die praktische Anwendung desselben zu machen. Auch die Minorität ist teilweise für die Hereinziehung politischer Fragen, nur will sie diese durch die Worte »unmittelbar« und »rein politisch« begrenzt wissen. Sie hat nur die Beteiligung an denjenigen politischen Fragen im Auge, die sich unmittelbar auf die Kirche beziehen; dadurch wird natürlich jede rein politische Frage beseitigt.

Es versteht sich von selbst, daß kirchliche Freiheit, Autonomie kirchlicher Korporationen, selbständige Verwaltung des Vermögens usw. unmittelbar mit der Kirche zusammenhängende Fragen sind. Allein ich gehe weiter: auch die nur mittelbar mit den kirchlichen Zwecken zusammenhängenden politischen Fragen rechne ich zum Wirkungskreise der katholischen Vereine. Der praktische Verstand weiß mit ziemlicher Gewißheit die Grenze zu finden, wie weit dieses »unmittelbar« auszudehnen ist. Aber auch durch die Doktrin läßt sich diese Grenze finden, denn sie stellt den Satz auf, daß alle politischen Rechte, welche entweder ausschließlich Mittel sind zur Erreichung rein kirchlicher Zwecke oder doch teilweise Mittel zur Erreichung der Kirchenfreiheit, ebensowohl als rein kirchliche Rechte in mittelbarem Zusammenhang mit der Kirche stehen. Die Erlangung dieser Rechte und Freiheiten gehört daher auch zur Tätigkeit der Piusvereine. Wer den Zweck will, muß auch dessen ausschließliche Mittel wollen.

Glauben Sie denn, es genüge, wenn die Verfassung die Selbständigkeit der katholischen Kirche gewährleistet? Die Selbständigkeit der Kirche beruht auf der Freiheit der kirchlichen Korporationen. Diese ist aber nur dann sichergestellt, wenn alle Korporationen frei sind. Es ist also diese rein politische Freiheit, die nur im mittelbaren Zusammenhang mit der Kirche steht, zur Erhaltung der kirchlichen Freiheit nötig. Man fragt: Was hat die Freiheit der Kirche mit einer freien Gemeinde- und Provinzialverfassung zu schaffen? Die Freiheit der Kirche hat damit sehr viel zu schaffen, da die Schule ja grundrechtlich in die Hand der Gemeinde gegeben ist, sie wird also bei einer schlechten Gemeindeordnung ebenfalls schlecht sein. Ebensoviel hat sie mit der Provinzialverfassung zu schaffen, denn ihr größter Feind ist die Bürokratie; diese muß durch autonomische Provinzialverwaltungen gezügelt werden. Es gibt in diesen Provinzen eine Menge kirchlicher Stiftungen; sie alle befinden sich unter Vormundschaft der Bürokratie, und viele gingen in ihren Händen verloren. (Bravo) Eine freie Verfassung aber reißt sie jenen aus den Klauen (Bravo) und zwingt sie, die Stiftungen wieder herauszugeben.

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