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Gelebte Integration: Frankreich und Deutschland (8. Juni 2006)

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Algolsheim ist ein elsässisches Bauerndorf. Wer die verkehrsberuhigte Hauptstraße entlangfährt, die gepflegten kleinen Bauernhäuser sieht, der ahnt, daß hier die Dorfgemeinschaft intakt ist. Am Ortsausgang von Algolsheim liegt das Neubaugebiet. Vor den Häusern stehen Autos mit Freiburger oder Karlsruher Kennzeichen. „Einfamilienhaus zu verkaufen“ steht auf dem Verkaufsschild, das nicht einmal zweisprachig ist. „Es sind Dörfer, die schnell gewachsen sind. Ob die Bauherren nun Deutsche oder Franzosen sind, ist letztlich nicht entscheidend – eher geht es um den klassischen Konflikt zwischen Dorfbewohnern und Neubürgern, die auch hier den Komfort der Großstadt wollen“, sagt Thierry Uhrin vom Sivom du Pay de Brisach, der Verbandsgemeinde. Mittlerweile würden sich aber die Grundstückspreise angleichen. Der Boom der Übersiedlungen aus Deutschland sei zu Ende.

Etwa fünf Kilometer liegen zwischen dem elsässischen Algolsheim und dem deutschen Breisach. Die Kleinstadt wurde im Zweiten Weltkrieg zu mehr als 80 Prozent zerstört. In den fünfziger Jahren entwickelte sie eine Vorreiterrolle beim Aufbau der deutsch-französischen Beziehungen. 97 Prozent der Breisacher, sagt der künftige Bürgermeister Oliver Rein, hätten schon damals für ein vereintes Europa gestimmt. „Wir verstehen uns als einheitlichen Raum, das macht unsere Region einmalig.“ Seit der Einführung des Euro sei die wirtschaftliche Verflechtung noch enger geworden, mit Neuf Brisach habe man zahlreiche von der EU geförderte InterReg-Projekte gemacht. Etwa 600 dieser Projekte gibt es am Oberrhein. Sie bemühen sich um grenzüberschreitende Zusammenarbeit, wie etwa den Aufbau von trinationalen Studiengängen oder die Kooperation von deutschen und französischen Krankenhäusern. „Deutschland und Frankreich sind sich gerade in den vergangenen Jahren hier noch einmal viel nähergekommen. Demnächst werden wir den Vertrag für den Eurodistrikt unterschreiben. Ein Problem ist allerdings manchmal, daß sich für den Schüleraustausch mit Frankreich nur noch wenige interessieren. Heute muß es doch mindestens Neuseeland sein.“



Quelle: Rüdiger Soldt, „Käse aus Frankreich, Konserven aus Deutschland. Die Grenzgänger zwischen dem Elsaß und Baden gehören zur Normalität“, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 8. Juni 2006, S. 4. © Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt. Zur Verfügung gestellt vom Frankfurter Allgemeine Archiv.

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