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Die Konservativen: Friedrich Julius Stahl: „Was ist die Revolution?” (1852)

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Nur das Christenthum vermag die Revolution zu schließen. Denn das Christenthum ist das Urbild jenes Reiches der Freiheit, dessen bloßes Zerrbild die Revolution ist. Wo aber das Urbild im Lichte seiner Glorie aufgeht, da müssen die Schatten des Zerrbildes schwinden. Darum wird aber auch die Revolution nicht geschlossen werden, weil das Urbild des Christenthums auf Erden nimmer aufgeht, sondern die Revolution kann nur niedergehalten, der Fuß ihr auf den Nacken gesetzt werden; sie wird aber nicht aufhören, sich zu bäumen, und wenn die Wächter schlummern, so wird sie aufrecht stehen. Aehnlich wie Amalek von Israel in der Schlacht niedergehalten wurde, aber sofort emporstieg, wenn die betenden Hände Mosis sanken. Darum wird die Zeit nicht wiederkehren, in welcher die Obrigkeiten sich sorglos ihren Ungerechtigkeiten und Lastern, ihren Neigungen und Liebhabereien, ihren Nebenbuhlerschaften hingeben durften als im tiefen Frieden und bei gesicherter Herrschaft. Der Feind der menschlichen Gesellschaft ist gegürtet, und droht sie zu fällen, wenn sie durch Versündigung an ihrem göttlichen Beruf aus der Burg des göttlichen Schutzes heraustreten. Und auch wir, die wir als Unterthanen in dieser Zeit leben, sind schon auf unserem irdischen Gang von den göttlichen Gerichten umgeben. Auch wir dürfen das wachende Auge nicht schließen und die Rüstung nicht ablegen; denn wir Alle sind berufen zu Wächtern und Kämpfern wider die Revolution. Die Revolution ist ja ein Reich der Sünde, welches das ganze Menschenleben und Menschenwesen durchdringt. Der Kampf gegen sie weilt deshalb nicht blos an den Barrikaden und in den Parlamenten. Jeder, der den Glauben an Christum bekennt und ein Leben der Gottesfurcht, der Treue gegen den König, der Bescheidung in seinem Berufe, der Zucht und der Liebe führt, der führt Riesenstreiche gegen die Revolution. Der christliche Glaube und das christliche Bekenntniß haben die unendlichen Verheißungen für sich. Das zweischneidige Schwert des Wortes Gottes, selbst aus dem schwächsten Munde, wird auch durch den Felsenpanzer der Revolution durchdringen. Aber diese Verheißungen sind an eine Bedingung geknüpft: an die christliche Treue. Wer da mit der Revolution brechen will, der breche zuvor mit der eignen Sünde. Niemand kann den Feind in der Welt fällen, er fälle ihn denn zuvor im eignen Herzen. Der gründliche vollständige Bruch mit der Revolution ist die christliche Treue. Darum möge Gott geben, daß die Fürsten der Völker nicht aus der Burg seiner Hut heraustreten und daß die Wächter nicht schlummern und die Kämpfer nicht ermatten, und daß die betenden Hände Mosis nicht sinken; und Er möge geben, daß wir die Treue halten, damit wir als Sieger erfunden werden in dem irdischen Streite und in der ewigen Entscheidung. Das werde wahr!



Quelle: Friedrich Julius Stahl, Siebzehn parlamentarische Reden und drei Vorträge. Berlin: Wilhelm Hertz, 1862, S. 132-46.

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