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Europäische Föderation (12. Mai 2000)

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Auch in der europäischen Finalität werden wir also noch Briten und Deutsche, Franzosen und Polen sein. Die Nationalstaaten werden fortexistieren und auf europäischer Ebene eine wesentlich stärkere Rolle behalten als dies die Bundesländer in Deutschland tun. Und das Prinzip der Subsidiarität wird in einer solchen Föderation künftig Verfassungsrang haben.

Diese drei Reformen: die Lösung des Demokratieproblems sowie das Erfordernis einer grundlegenden Neuordnung der Kompetenzen sowohl horizontal, d.h. zwischen den europäischen Institutionen, als auch vertikal, also zwischen Europa, Nationalstaat und Regionen, wird nur durch eine konstitutionelle Neugründung Europas gelingen können, also durch die Realisierung des Projekts einer europäischen Verfassung, deren Kern die Verankerung der Grund-, Menschen- und Bürgerrechte, einer gleichgewichtigen Gewaltenteilung zwischen den europäischen Institutionen und einer präzisen Abgrenzung zwischen der europäischen und der nationalstaatlichen Ebene sein muss. Die Hauptachse einer solchen europäischen Verfassung wird dabei das Verhältnis zwischen Föderation und Nationalstaat bilden. Damit ich nicht mißverstanden werde: Dies hat mit Renationalisierung überhaupt nichts zu tun, im Gegenteil.


Meine Damen und Herren,

die Frage, die sich nun immer drängender stellt, ist folgende: wird sich diese Vision einer Föderation nach der bisherigen Methode der Integration realisieren lassen oder muss diese Methode selbst, das zentrale Element des bisherigen Einigungsprozesses, in Frage gestellt werden?

Bis in der Vergangenheit dominierte im wesentlichen die „Methode Monnet“ mit ihrem Vergemeinschaftungsansatz in europäischen Institutionen und Politiken den europäischen Einigungsprozess. Diese schrittweise Integration ohne Blaupause für den Endzustand war in den 50er Jahren für die wirtschaftliche Integration einer kleinen Ländergruppe konzipiert worden. So erfolgreich dieser Ansatz dort war, für die politische Integration und die Demokratisierung Europas hat er sich als nur bedingt geeignet erwiesen. Dort, wo ein Voranschreiten aller EU-Mitglieder nicht möglich war, gingen deshalb Teilgruppen in wechselnden Formationen voraus, wie in der Wirtschafts- und Währungsunion oder bei Schengen.

Liegt also in einer solchen Differenzierung, einer verstärkten Zusammenarbeit in Teilbereichen, die Antwort auf die doppelte Herausforderung von Erweiterung und Vertiefung? Gerade in einer erweiterten und zwangsläufig auch heterogeneren Union wird eine weitere Differenzierung unverzichtbar werden. Sie zu erleichtern, ist deshalb auch ein zentrales Ziel der Regierungskonferenz.

Allerdings wird eine immer stärkere Differenzierung auch neue Probleme aufwerfen: einen Verlust von europäischer Identität, an innerer Kohärenz sowie die Gefahr einer inneren Erosion der EU, wenn nämlich neben die Klammer der Integration immer größere Bereiche intergouvernementaler Zusammenarbeit treten sollten. Schon heute ist eine wohl innerhalb ihrer eigenen Logik nicht mehr zu lösende Krise der „Methode Monnet“ nicht mehr zu übersehen.

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