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Die Einführung einer gemeinsamen Währung (7. Mai 1998)

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Brüssel gewinnt mehr Macht und mehr Feinde

Letzteres bleibt und kittet, gut die Hälfte der Ausfuhren aus der Bundesrepublik geht in die Europäische Union. Aber sonst? Seit der Wiedervereinigung ist Deutschland selbstbewußter. Der Ostblock ist geborsten. Brüssel muß und will die Subventionen an die Bauern kürzen. Überhaupt Brüssel: Wer mehr Macht gewinnt, hat mehr Feinde. Wer eigenmächtig wird, hat noch mehr Feinde.

Mehr Demokratie wagen, das bleibt eine Hauptaufgabe der EU nach ihrer Entscheidung für den Euro: das letzte europäische Wagnis, das fast allen Deutschen einleuchtet. Alles andere, was in Europa ansteht, bringt dem deutschen Bürger nur mittelbar, langfristig und vorerst ziemlich abstrakt Vorteile.

Natürlich ist es im Interesse der Bundesrepublik, daß sich die EU nach Osten erweitert und dort für Stabilität sorgt. Aber das wird Geld kosten, zum Beispiel jenes Geld aus Brüssel, das die Landwirte und viele andere Empfänger von Zuschüssen beanspruchen.

Die EU-Staaten müssen ihre Außenpolitik besser abstimmen, keine Frage. Der Bürger schämt sich (ein bißchen), wenn Europa zuschaut, wie der Serbe Milosevic wieder einmal wütet. Aber es ist so bequem, den Amerikanern Vortritt zu lassen. Schön, daß auch britisches und französisches Militär bereitsteht und deutsche Soldaten die Nachhut bilden.

Das organisierte Verbrechen ist zweifellos eine Gefahr, die Europäer müssen gemeinsam handeln. Aber ist das nicht ein Schritt zum Superstaat? Und warum entfallen die Kontrollen an den Grenzen?

Gewiß, das Europa des Binnenmarkts und des Euro hat sich wenig um das Soziale gekümmert. Aber welche handfesten Vorteile bringt die vielbeschworene Sozialunion, wo doch deutsche Arbeitnehmer nach wie vor bessergestellt sind als die meisten Europäer? Muß am Ende Deutschland wieder zahlen?

Dies sind die Fragen, die sich die Menschen stellen. Die EU hat Erfolg, trotzdem ist die Stimmung schlecht – nicht nur bei den Deutschen. Der europäische Gedanke hat Mühe mit dem Zeitgeist des dreifachen „Jeder für sich“: Unter den Staaten und Regionen herrscht „Standortwettbewerb“. Unter ihrem großen Banner verkündigen Neoliberale die Tugend des Egoismus. Unter dem Druck der neuen Rechten drängt krasser Nationalismus wieder vor.

Und da kommt der Euro. Er fügt EU-Mitglieder noch fester zusammen, die weniger solidarisch sind als zuvor. Er verlangt Disziplin auch von jenen Ländern, zumal Deutschland und Frankreich, die bislang größere Reformen gescheut und eine schwierige Strecke vor sich haben. Er bindet Regierungen, von denen einige wankelmütig sind: Gerade die halbherzigen Reformer ernten am meisten Protest; und in mehreren europäischen Staaten verändert sich die Parteienlandschaft von Grund auf, was die Berechenbarkeit der Politik mindert.

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