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Friedensmission in Kroatien: Bundestag beschließt die Entsendung von Bundeswehreinheiten (6. Dezember 1995)

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Die Debatte eröffnete SPD-Fraktionsvorsitzender Rudolf Scharping, der die Zustimmung seiner Partei zur Stationierung bekräftigte, aber auf die großen Risiken dieses Einsatzes hinwies. Es falle den Sozialdemokraten sicher nicht leicht, eine Entscheidung von dieser Tragweite zu fällen, aber man könne auch nicht von vornherein eine Bitte der Weltgemeinschaft ignorieren. Es sei keinesfalls ehrenrührig, sich die Entscheidung schwerzumachen, denn es müßten tausende Soldaten in ein Kriegsgebiet geschickt werden, in dem bereits Hunderttausende ihr Leben verloren hätten. Er unterstrich, daß der Beitrag dem Frieden diene, und wies eine Äußerung des Bundeswehr-Generalinspekteurs Klaus Naumann als »zumindest fahrlässig« zurück, der gesagt hatte, bei dem Einsatz der Bundeswehr handele es sich um einen »Kampfauftrag«.

CDU-Fraktionsvorsitzender Wolfgang Schäuble verteidigte die Äußerung Naumanns mit dem Hinweis, die Soldaten könnten durchaus in eine Situation geraten, wo sie kämpfend den Frieden sichern müßten. Es sei nun mal ein gefährlicher Auftrag, bei dem es »schnell zu Risiken kommen kann«, von denen man nur hoffe, daß sie niemals einträten.

An Joschka Fischer gerichtet, sagte Schäuble, es sei zu wünschen, daß sich in Zukunft keine Mitglieder des Parlaments an Veranstaltungen beteiligten, auf denen Soldaten als »Mörder« bezeichnet würden. Fischer wies den Vorwurf in scharfer Form zurück und hielt der CDU vor, einen ehemaligen Kriegsrichter der Wehrmacht als Experten zu einer Anhörung über Deserteure des letzten Weltkriegs einzuladen. Er verwies auf die Hitler-Generäle Keitel und Jodl sowie auf den chilenischen Ex-Diktator Pinochet und sagte, daß es Soldaten gegeben habe bzw. gebe, die man als Mörder bezeichnen könne. Dies treffe in dieser Form natürlich nicht auf die Soldaten eines Rechtsstaats oder einer Demokratie zu.

Fischer kritisierte den Frieden von Dayton als »bitter und gefährlich«, weil sich »die Anstifter der ethnischen Säuberung durchzusetzen drohen«; auch gehöre das multiethnische Bosnien der Vergangenheit an. »Aber die Alternative heißt Krieg. Das ist für uns der Grund, warum wir in unserer Gewissensentscheidung als einzelne Abgeordnete – die meisten von uns werden das zum ersten Mal tun – nicht einer Mehrheitsentscheidung unserer Partei folgen. Das ist für uns keine Selbstverständlichkeit. Wir werden diesem Frieden von Dayton, weil er nicht anders umzusetzen ist, auch in seinem militärischen Teil zustimmen müssen. [ . . . ]« Er sei sich bewußt, daß der Streit über die Bundeswehrbeteiligung seine Partei zu zerreißen drohe. Er stehe leider auch vor dem »verfluchten Dilemma«, daß Menschen in bestimmten Situationen nur dann überleben könnten, wenn Militär entsendet werde.

Für die PDS begründete Gregor Gysi unter anderem seine Ablehnung zur Stationierung mit der Unfähigkeit der Staatengemeinschaft, den Konflikt in Ex-Jugoslawien friedlich zu beenden, was sie dann zur militärischen Lösung auch nicht befähige. Es beunruhige ihn, daß plötzlich nicht mehr von Blauhelmeinsätzen die Rede sei, sondern überall von Kampfeinsätzen gesprochen werde, »mit betont grünen Helmen«. Es gehe hier auch nicht um die einfachen Soldaten, sondern um sein mangelndes Vertrauen in die politische und militärische Führung der Bundeswehr, die erst vor kurzem Kasernen, die nach NS-Generalen benannt waren, umbenannt habe. Wesentlich sei auch, daß man »aus der 2000jährigen Geschichte der Militärspirale heraus« müsse. Wolfgang Schäuble solle froh darüber sein, daß so viele Jugendliche in Deutschland nicht einfach für das Militärische zu begeistern seien, »sondern eher für das Gegenteil davon«.

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