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Romantik: Friedrich Karl Wilhelm von Schlegel: Auszüge ausgewählter Schriften (1798-1804)

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[Über den Kölner Dom] Rein architektonisch genommen, liegen auch in diesen höchsten Kunstgebilden des zweiten blühenden Stils der gotischen Baukunst dieselben Figuren vom Dreieck und Quadrat nebst der Kugel und Kreuzform zum Grunde wie in dem altchristlichen Kirchenstil nach tiefer Berechnung der künstlichen Struktur des ganzen Gebäudes. Aber sie treten nicht mehr in ihrer geometrischen Strenge und Reinheit hervor, sondern alles ist mit dem reichen Blätterschmuck und mit der blühendsten Fülle des Lebens umkleidet, sowie auch auf dem Teppich des Frühlings, an dem Reichtum aller dieser grünenden Gewächse, das Gesetz ihrer Struktur und die innere Geometrie der Natur nicht mehr im einzelnen sichtbar hervortritt, sondern alles frei im unendlichen Leben blüht und seine Schönheit entfaltet.

Das Wesen der gotischen Baukunst besteht also in der naturähnlichen Fülle und Unendlichkeit der inneren Gestaltung und äußeren blumenreichen Verzierungen. Daher die unermüdlichen und unzähligen steten Wiederholungen der gleichen Zieraten, daher das Pflanzenähnliche derselben wie an blühenden Gewächsen. Und daher auch das innig Ergreifende, das rührend Geheimnisvolle, das freudig Liebliche und Belebende des Eindrucks bei dem Erstaunen über die Größe. Die gotische Baukunst hat eine Bedeutung, und zwar die höchste; und wenn die Malerei sich meistens nur mit schwachen, unbestimmten; mißverständlichen, entfernten Andeutungen des Göttlichen begnügen muß, so kann die Baukunst dagegen, so gedacht und so angewandt, das Unendliche gleichsam unmittelbar darstellen und vergegenwärtigen durch die bloße Nachbildung der Naturfülle auch ohne Anspielungen auf die Ideen und Geheimnisse des Christentums, welche allerdings auf die Entstehung und Ausbildung der Kirchenbaukunst nicht geringen Einfluß gehabt haben.

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Rheinfahrt
Bei dem freundlichen Bonn fängt die eigentlich schöne Rheingegend an; eine reichgeschmückte breite Flur, die sich wie eine große Schlucht zwischen Hügeln und Bergen eine Tagesreise lang hinaufzieht bis an den Einfluß der Mosel bei Koblenz; von da bis St. Goar und Bingen wird das Tal immer enger, die Felsen schroffer und die Gegend wilder; und hier ist der Rhein am schönsten. Überall belebt durch die geschäftigen Ufer, immer neu durch die Windungen des Stroms und bedeutend verziert durch die kühnen, am Abhange hervorragenden Bruchstücke alter Burgen, scheint diese Gegend mehr ein in sich geschlossenes Gemälde und überlegtes Kunstwerk eines bildenden Geistes zu sein, als einer Hervorbringung des Zufalls zu gleichen. Von der flachen Gegend hinaufwärts macht den Anfang unter den vielen Ruinen, welche den Rhein verherrlichen, der Godesberg; eine der schönsten, nicht wegen der Höhe und Kühnheit, wohl aber wegen der reichen Aussicht und anmutigen Lage. Der etwas ferner gegenüber erscheinende Drachenfels macht schon die Erwartung rege nach alle den wilden und seltsamen Felsburgen, die den Fluß aufwärts umgrenzen. – Man betrachtet solche Ruinen alter Burgen entweder nur mit einer oberflächlichen sentimentalen Rührung als den unentbehrlichen romantischen Hintergrund für allerlei beliebige moderne Gefühle, oder man sieht darin nur Raubschlösser, welche nach angeordnetem Landfrieden zerstört worden sind und zerstört werden mußten. Unstreitig waren das auch viele,

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