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Hermann von Helmholtz: Auszüge aus einer Rede aus Anlass seiner Berufung als Prorektor an der Universität Heidelberg (1862)

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Die eiserne Arbeit des selbstbewussten Schliessens erfordert grosse Hartnäckigkeit und Vorsicht, sie geht in der Regel nur sehr langsam vor sich und wird selten durch schnelle Geistesblitze gefördert. Es ist bei ihr wenig zu finden von der Bereitwilligkeit, mit der die verschiedensten Erfahrungen dem Gedächtnisse des Historikers oder Philologen zuströmen müssen. Im Gegentheil ist die wesentliche Bedingung für den methodischen Fortschritt des Denkens, dass der Gedanke auf einen Punkt concentrirt bleibe, ungestört von Nebendingen, ungestört auch von Wünschen und von Hoffnungen, und dass er nur nach seinem eigenen Willen und Entschlusse fortschreite. Ein berühmter Logiker, Stuart Mill, erklärt es als seine Ueberzeugung, dass die inductiven Wissenschaften in der neuesten Zeit mehr für die Fortschritte der logischen Methoden gethan hätten, als alle Philosophen von Fach. Ein wesentlicher Grund hierfür liegt gewiss in dem Umstande, dass auf keinem Gebiete des Wissens ein Fehler in der Gedankenverbindung sich so leicht durch falsche Resultate zu erkennen giebt, als in diesen Wissenschaften, wo wir die Ergebnisse der Gedankenarbeit meist direct mit der Wirklichkeit vergleichen können.

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Quelle: “Ueber das Verhältniss der Naturwissenschaften zur Gesammtheit der Wissenschaft,” in Vorträge und Reden von Hermann von Helmholtz, 2 Bände. Vierte Auflage. Braunschweig: Friedrich Vieweg und Sohn, 1896, S. 159-65, 172-73, 175-78.

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