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Der Präsident des Deutschen Bundestags Wolfgang Thierse eröffnet das Holocaust-Mahnmal (10. Mai 2005)

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Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas ist eine begehbare Skulptur, die – so mein Empfinden – eine große emotionale Kraft entfaltet, es ist eine bauliche Symbolisierung für die Unfasslichkeit des Verbrechens.

Es ist – im wirklichen Sinne des Wortes – ein offenes Kunstwerk. Offen gegenüber der Stadt, dem räumlichen Umfeld, in das es übergeht. Offen für seinen vielfältigen individuellen Gebrauch: Dieses Denkmal kann man nicht „kollektiv“ begehen, es vereinzelt. Es ermöglicht eine sinnlich-emotionale Vorstellung von Vereinsamung, Bedrängnis, Bedrohung. Es erzwingt nichts.

Ich habe die Hoffnung, dass Menschen, auch und gerade junge Menschen normaler Empfindsamkeit das empfinden werden, die begriffslose Ausdruckskraft dieses Denkmals spüren, von ihm berührt sein werden und betroffen und fragend den Ort der Information aufsuchen. Hier bekommen die Opfer Namen und Gesichter und Schicksale – wer wird sich dem entziehen können! Und dann wieder durch das Stelenfeld gehen und der Opfer gedenken.

So kann es sein, so ist es gemeint: Nicht eine Art negativer Nostalgie, sondern ein Gedenken der Opfer, das uns in der Gegenwart und Zukunft verpflichtet: zu einer Kultur der Humanität, der Anerkennung, der Toleranz in einer Gesellschaft, in einem Land, in dem wir ohne Angst als Menschen verschiedene sein können.



Quelle: Wolfgang Thierse, „Rede zur Eröffnung des ‚Denkmals für die ermordeten Juden Europas‘“, 10. Mai 2005, www.bundestag.de/aktuell/presse/2005/pz_0505101.html

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