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Die junge Generation im Osten (5. Oktober 2000)

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Die 89er sind also die moderneren jungen Deutschen – sie sind wieder, nur anders, junge Pioniere: Aus DDR-Zeiten bringen sie das soziale Miteinander mit, der Umbruch brachte die Fähigkeit, sich zurechtzufinden, und aus der (weniger als im Westen gepolsterten) Kapitalismuserfahrung gewinnen sie den Willen zum Erfolg. Allerdings gibt es immer weniger junge Ostler. Die Abwanderung gen Westen ist in jüngster Zeit wieder gestiegen, und es gehen meist die Bestgebildeten und Aktivsten.

Dabei haben die Neuen Länder in weiten Teilen die modernste Infrastruktur Europas – im Osten ist ja vieles noch keine zehn Jahre alt. Nirgendwo in Europa gibt es ein so gutes Telekommunikationsnetz, die meisten Krankenhäuser verfügen über neueste Technik, das Ilmenauer Institut für Medientechnik ist das beste seiner Art. Und die Demokratie funktioniert eigentlich auch. Sicherlich nicht perfekt, aber wie am Schnürchen lief es nach 1949 im Westen auch nicht.

Neues lässt sich im Osten schneller durchsetzen. Wenn Gerhard Schröder von der geheilten German disease spricht, meint er das westdeutsche Bermudadreieck aus Parteien, Gewerkschaften und Verbänden. Der ostdeutsche Pragmatismus ist längst weiter. Viele Ostdeutsche fragen sich, ob die (West-)Gesellschaft zu einer ähnlichen Anpassungsleistung überhaupt fähig wäre. Sie können selbstbewusst sein: „Was wir hinter uns haben, steht euch bevor“.


Nach der Wende beendete Anna ihr Abitur an der Spezialschule. Statt Russischlehrerin wurde sie Dolmetscherin. Heute arbeitet sie an der Deutschen Evangelischen Oberschule in Kairo. In ein paar Jahren möchte sie wieder zurück nach Deutschland, am liebsten nach Leipzig. Vermisst sie die DDR und deren Sicherheit? „Nein, was ich in den letzten Jahren erlebt habe, hätte ich mit der DDR nie haben können“.

Der Autor, 28 Jahre alt, ist Politologe und Mitarbeiter der SPD-Landtagsfraktion in Dresden.



Quelle: Thomas Kralinski, „Junge Pioniere. Den jungen Ostdeutschen gehört die Zukunft“, Die Zeit, 5. Oktober 2000.

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