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Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Auszüge aus Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse (1817)

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Es muß hiebey das Allgemeine und Besondere seiner eigentlichen Bestimmung nach unterschieden werden; das Allgemeine formell genommen und neben das Besondere gestellt, wird selbst auch zu etwas Besonderem. Solche Stellung würde bey Gegenständen des gemeinen Lebens von selbst als unangemessen und ungeschickt auffallen, wie wenn z. B. einer, der Obst forderte, Kirschen, Birnen, Trauben, u.s.f. ausschlüge, weil sie Kirschen, Birnen, Trauben, nicht aber Obst seyen. – In Ansehung der Philosophie aber läßt man es sich zu, theils die Verschmähung derselben damit zu rechtfertigen, weil es so verschiedene Philosophien gebe, und jede nur eine Philosophie, nicht die Philosophie sey, – als ob nicht auch die Kirschen Obst wären; – theils eine solche, deren Princip das Allgemeine ist, neben solche, deren Princip ein besonderes ist, ja sogar neben Lehren zu stellen, die versichern, daß es gar keine Philosophie gebe, und diesen Nahmen für eine Gedankenbewegung gebrauchen, welche das Wahre als gegebenes und unmittelbares voraussetzt, und an demselben Reflexionen anstellt.

§. 9.
Als Encyklopädie aber ist die Wissenschaft nicht in der ausführlichen Entwicklung ihrer Besonderung darzustellen, sondern ist auf die Anfänge und Grundbegriffe der besondern Wissenschaften zu beschränken.

Wie viel von den besondern Theilen dazu gehöre, eine besondere Wissenschaft zu constitutiren, ist insoweit ganz unbestimmt, als der Theil nur nicht ein vereinzeltes Moment, sondern eine Totalität seyn muß, um ein Wahres zu seyn. Das Ganze der Philosophie macht daher wahrhaft Eine Wissenschaft aus, aber sie kann auch als ein Ganzes von mehreren besondern Wissenschaften angesehen werden.

§. 10.
Was in einer Wissenschaft wahr ist, ist es durch und Kraft der Philosophie, deren Encyklopädie daher alle wahrhaften Wissenschaften umfaßt.

Die philosophische Encyklopädie unterscheidet sich von einer andern, gewöhnlichen Encyklopädie dadurch, daß diese ein Aggregat der Wissenschaften ist, welche zufälliger und empirischer Weise aufgenommen, und worunter auch solche sind, die nur den Nahmen von Wissenschaften tragen, sonst aber selbst eine bloße Sammlung von Kenntnissen sind. Die Einheit, in welche in solchem Aggregate die Wissenschaften zusammen gebracht werden, ist, weil sie äusserlich aufgenommen sind, gleichfalls eine äusserliche, – eine Ordnung. Diese muß aus demselben Grunde, zudem da auch die Materialien zufälliger Natur sind, ein Versuch bleiben, und immer

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