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Friedrich List: Auszug aus Das Nationale System der politischen Oekonomie (1841)

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Am schädlichsten und verwerflichsten ist die plötzliche und gänzliche Abschließung der Nation durch Prohibitionen. Jedoch sind auch diese zu rechtfertigen, wenn die Nation, durch langen Krieg von andern Nationen getrennt, in den Zustand einer unfreiwilligen Prohibition der Manufakturprodukte fremder Nationen und in die absolute Nothwendigkeit versetzt worden ist, sich selbst zu genügen.

In diesem Fall ist ein allmählicher Uebergang vom Prohibitivsystem in das Schutzsystem durch lange vorherbestimmte, allmählich sich vermindernde Zollsätze zu bewerkstelligen. Eine Nation dagegen, welche aus dem Zustande der Nichtprotektion in den Zustand der Protektion übergehen will, muß von geringen Zollsätzen ausgehen, die allmählich und nach einer vorausbestimmten Stufenleiter steigen.

Die auf diese Weise vorherbestimmten Zollsätze sind von der Staatsgewalt unverbrüchlich einzuhalten. Sie kann die Sätze nie vor der Zeit vermindern, wohl aber erhöhen, im Fall sie ihr nicht zureichend erscheinen.

Allzuhohe Einfuhrzölle, welche die auswärtige Concurrenz gänzlich ausschließen, sind der Nation selbst, die sie anlegt, schädlich, indem dadurch der Wetteifer der Manufakturisten mit dem Auslande ausgeschlossen und Indolenz genährt wird.

Wenn bei ansehnlichen, allmählich steigenden Zollsätzen die inländischen Manufakturen nicht gedeihen, so ist dieß ein Beweis, daß die Nation die erforderlichen Hülfsmittel noch nicht besitzt, um eine eigene Manufakturkraft zu pflanzen.

Der Schutzzoll für einen einmal beschützten Industriezweig darf nie so weit fallen, daß diese Industrie durch fremde Concurrenz in ihrem Bestand gefährdet werden kann. Erhaltung des Bestehenden, Beschützung der Wurzeln und des Stammes der Nationalindustrie muß unverbrüchlicher Grundsatz sein.

Die fremde Concurrenz kann demnach bloß zur Theilnahme an dem jährlichen Consumtionszuwachs zugelassen werden. Die Zollsätze müssen steigen, sobald die auswärtige Concurrenz den größeren Theil oder das Ganze des jährlichen Zuwachses gewinnt.

Eine Nation wie die englische, deren Manufakturkraft einen weiten Vorsprung vor der aller andern Nationen gewonnen hat, erhält und erweitert ihre Manufaktur- und Handelssuprematie am besten durch möglichst freien Handel. Bei ihr ist das kosmopolitische Princip und das politische eines und dasselbe.

Hieraus erklärt sich die Vorliebe aufgeklärter englischer Staatsökonomen für die absolute Handelsfreiheit, und die Abgeneigtheit einsichtsvoller Staatsökonomen anderer Länder, dieses Princip unter den bestehenden Weltverhältnissen in Anwendung zu bringen.

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