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Emil Lehmanns Petition zur Verbesserung der Rechtsverhältnisse der Juden in Sachsen (25. November 1869)

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„Daß nach dem Civilgesetzbuch eine Ehe zwischen Christen und Juden ipso jure nichtig sei, selbst ohne daß es deshalb in der Regel einer richterlichen Erklärung bedarf, ist unzweifelhaft. Im vorliegenden Fall handelt es sich aber von einer vor dem Erscheinen des Civilgesetzbuchs eingegangenen Verbindung. Wie eine solche zu beurtheilen sei, ist allerdings zweifelhaft; denn enthält auch schon das kanonische Recht strenge Vorschriften gegen dergleichen Ehen, so hat sich doch schon wegen der Seltenheit der Fälle eine zweifellose und konsequente Praxis nicht wohl herausbilden können. So viel steht aber fest, daß man in mehreren Fällen Anstand genommen hat, mit der ganzen Strenge, wie sie sich vielleicht nach kanonischem Rechte hätte rechtfertigen lassen, vorzugehen, vielmehr sich bewogen gefunden hat, von einer ausdrücklichen Nichtigkeitserklärung abzusehen, ohne sich über die etwaigen rechtlichen Folgen, deren Beurtheilung nicht zur Kompetenz des unterzeichneten Ministeriums gehört, auszusprechen. Das Ministerium ist nun nach wiederholter Erwägung zu der Ansicht gelangt, daß auch vorliegender Fall in gleicher Weise zu behandeln sei.“

Dieser Vorgang beweist, daß das bürgerliche Gesetzbuch mit § 1617 einen Rückschritt gethan, wie ihn gewiß auch der vorurtheilsfreie Anhänger des Bestehenden nicht wünschen kann.

Mit dieser Bestimmung und ihrer Motivirung ist unser bürgerliches Gesetzbuch sogar hinter das nun bald hundertjährige Preußische Landrecht zurückgegangen, das in seiner Fassung: „Ein Christ kann mit solchen Personen keine Heirath schließen, welche nach den Grundsätzen ihrer Religion sich den christlichen Ehegesetzen zu unterwerfen gehindert sind“ [II. Theil I. Titel § 36] die Ehen zwischen Christen und Juden nachlassen wollte, wie folgender Ausspruch des Suarez, eines der Verfasser dieses Landrechts, belegt: „Warum will man die Ehen zwischen Juden und Christen so schlechterdings verbieten? In den christlichen Ehegesetzen ist nichts dem sich eine Jüdin nicht schlechterdings unterwerfen könnte. Findet sie also in der Trauungsliturgie keinen Anstoß, so mag sie ein Christ immer heirathen. Erlaubt doch Paulus, daß Christen sich mit Heiden verheirathen dürfen.“ Linde, Zeitschrift für Civilrecht und Prozeß N. F. IV. 13.

Neuerdings hat man, wie schon Grolman a. zuletzt aufgeführten O. hervorhebt, in der Civilehe den geeignetsten Weg zur Beseitigung aller Hindernisse, die von geistlicher Seite entgegengestellt werden könnten, gefunden.

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Die Erfahrungen, die man in Ländern mit eingeführter Civilehe gemacht sprechen dafür, daß das Institut Gott nicht entziehe was Gottes ist, daß nicht nur innerlich die Uebereinstimmung der Gemüther, sonder auch äußerlich die Weihe des Gotteshauses von den im Civilwege Getrauten, gleichviel welcher Konfession sie angehören, gesucht und erlangt wird.

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