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Emil Lehmanns Petition zur Verbesserung der Rechtsverhältnisse der Juden in Sachsen (25. November 1869)

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Und faßt man die Frage auch nur nach dieser Richtung auf, sieht man ab von den gesetzgeberischen Resultaten der jüngsten Zeit, so muß schon dieser Sachstand bedenklich machen gegen eine Gesetzgebung, die das römischrechtliche Verbot einer längst vergangenen, in ihren Anschauungen vom Einfluß der Religion auf die Rechtsfähigkeit längst überwundenen Zeit nun erst, nach tausendjährigem Schweigen, ins Partikularrecht einverleiben und, nach dem monumentalen Charakter des vorliegenden Entwurfs, noch auf späte Enkel vererben soll!“ –

Das Schicksal dieses im Jahre 1861 gestellten Antrags ist in Siebenhaar, Kommentar III., S. 28 dargelegt.

Die dort ausgesprochene Unzweifelhaftigkeit des Eheverbots nach evangelischem Kirchenrecht wird durch die oben angeführten Sächsischen Kirchenrechtslehrer nicht bestätigt.

Der Verfasser dieser Eingabe war auch so glücklich, für diese seine Ansicht in folgendem Rechtsfalle die Zustimmung der oberen Behörden zu erlangen.

Darauf verordnete [in einem Rechtsfall zum rechtlichen Status von Kinder aus einer jüdisch-christlichen Mischehe] das Königliche Ministerium des Kultus und des öffentlichen Unterrichts unter dem 9. Mai 1867:

„daß die Verbindung der genannten Personen sowohl materiell als formell für nichtig zu erachten sei, da die in § 1617 des bürgerlichen Gesetzbuches enthaltene Bestimmung lediglich Dasjenige enthalte, was bereits vor Erlaß dieses Gesetzbuches in Sachsen Rechtens war und daß daher die aus dieser Verbindung hervorgegangenen Kinder als außereheliche zu betrachten seien.“

Demgemäß wies die Königliche Kreisdirektion den Stadtrath zu Dresden unter dem 22. Mai 1867 an, gegen das Zusammenleben der Betreffenden nach § 1621 des bürgerlichen Gesetzbuchs Amtswegen einzuschreiten.

Und in der That hat denn auch die Königliche Polizeidirektion Dresden, an welche der Stadtrath die Sache abzugeben hatte, auf Grund dieser Verordnung mittelst Resolution vom 12. Juli 1867 die Frau bedeutet, das vom Manne bewohnte Logis binnen einer Woche bei Vermeidung von 20 Groschen Geldstrafe oder zwei Tagen Arrest zu verlassen, dem Mann dagegen bei gleicher Strafe aufgegeben; nach jener Frist der Frau ferneren Aufenthalt nicht zu gestatten. Auf dawider eingewendeten, mit Dispensationsgesuch verbundenen Rekurs, in welchem vorzugsweise betont wurde, daß nach der hier maßgebenden älteren Gesetzgebung derartige Ehen in Sachsen gesetzlich nicht verboten waren, hob das Königliche Ministerium des Innern unter dem 8. November 1867 die Ausweisungsmaßregel auf, während das Königliche Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts mittelst Verordnung vom 6. Juli 1868 die Ehe unter nachfolgenden Motiven dispensatonsweise für gültig erklärte:

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