GHDI logo

Emil Lehmanns Petition zur Verbesserung der Rechtsverhältnisse der Juden in Sachsen (25. November 1869)

Seite 5 von 8    Druckfassung    zurück zur Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument


III.

Das in § 1617 des bürgerlichen Gesetzbuchs ausgesprochene Verbot: „Christen können mit Personen, welche sich nicht zur christlichen Religion bekennen, eine Ehe nicht eingehen –“ enthält strenggenommen keine speziell den Nichtchristen zu Theil gewordene Beschränkung, da es gleichmäßig auch die christlichen Staatsangehörigen trifft. Gleichwohl hat, mit richtiger Würdigung des zu Grunde liegenden Motivs, die Wissenschaft diese Bestimmung speziell als eine den Juden auferlegte Beschränkung aufgefaßt. [Schmidt, Vorlesungen über Sächs. Privatrecht I. S. 66.]

Wenn aber auch dort noch ausgesprochen wird, daß § 1617 das Eheverbot „aufrecht erhalten“ habe, so ist dem aus denselben Gründen zu widersprechen, die bereits in der erwähnten Petition vom Jahre 1861 hervorgehoben worden sind und deren Stichhaltigkeit auch neuerdings die Anerkennung der Behörden gefunden hat. Nicht aufrecht erhalten, sondern neu geschaffen hat das bürgerliche Gesetzbuch dies Eheverbot.

Es sei gestattet, aus jener älteren Petition die hier einschlagenden Stellen zu wiederholen:

„Während die speziellen Motiven des vorliegenden Entwurfs den ausgesprochenen Grundsatz als selbstverständlich gar nicht näher ins Auge fassen, war zur Begründung des ähnlich lautenden ursprünglichen Entwurfsparagraphen (1418) Folgendes gesagt:

‚Die Religionsverschiedenheit hat man aus dem bestehenden Recht als ein Ehehinderniß übergetragen, weil aus Ehen zwischen Christen und Nichtchristen in der Regel kein häusliches Glück zu erwarten steht. Die Grundsätze der christlichen Religion weichen so sehr von den Dogmen anderer Religionen ab, ihre Bekenner sind so verschieden, daß eine dauerhafte eheliche Liebe und einheitliche gute Kindererziehung nicht zu hoffen ist, wenn nicht bei beiden Ehegatten eine Gleichgültigkeit in Betreff der Religion schon zur Zeit des Eheabschlusses sich vorfindet oder während der Ehe entsteht. Von einer solchen Voraussetzung aber darf der Staat in seiner Gesetzgebung nicht ausgehen.‘“

Es fragt sich nun zunächst, ob nach bestehendem Rechte die Ehen zwischen Juden und Christen schlechterdings verboten sind.

Diese Frage ist zwar nach altrömischem Rechte unbedingt zu bejahen, nicht so nach sächsischem, selbst nach älterem sächsischem Recht.

Das römische Recht hat dies unbedingte Verbot ausgesprochen in 1. 6 cod. de Judaeis I. 9.

Dort wird die Ehe zwischen Juden und Christen geradezu mit den Strafen des Ehebruchs belegt.

Allein diese Kodexstelle hat weder in Deutschland überhaupt, noch in Sachsen insbesondere, zu allen Zeiten unbedingte Anwendung gefunden.

[ . . . ]

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite