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Friedrich List: Auszug aus Das Nationale System der politischen Oekonomie (1841)

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Durch die früheren Fortschritte anderer Nationen, durch die fremden Douanensysteme und den Krieg werden die minder vorgerückten Nationen genöthigt, in sich selbst die Mittel zu suchen, um den Uebergang vom Agrikulturstand in den Manufakturstand zu bewerkstelligen und den Handel mit weiter vorgerückten und nach dem Manufakturmonopol strebenden Nationen, insofern er ihnen darin hinderlich ist, durch ein eigenes Douanensystem zu beschränken.

Das Douanensystem ist demnach nicht, wie man behauptet hat, eine Erfindung spekulativer Köpfe, es ist eine natürliche Folge des Strebens der Nationen nach den Garantien der Fortdauer und Prosperität oder nach überwiegender Macht.

Dieses Streben ist aber nur insofern ein legitimes und vernünftiges, als es der Nation selbst, die es ergreift, in ihrer ökonomischen Entwickelung nicht hinderlich, sondern förderlich ist, und als es dem höheren Zweck der Menschheit, der künftigen Universalconföderation, nicht feindlich entgegentritt.

Gleichwie die menschliche Gesellschaft unter einem gedoppelten Gesichtspunkt zu betrachten ist, nämlich unter dem kosmopolitischen, welcher die gesammte Menschheit ins Auge faßt, und unter dem politischen, welcher die besonderen Nationalinteressen und Nationalzustände berücksichtigt, so ist alle Oekonomie, die der Privaten wie die der Gesellschaft, unter zwei Hauptgesichtspunkten zu betrachten, nämlich mit Rücksicht auf die persönlichen, gesellschaftlichen und materiellen Kräfte, wodurch die Reichthümer hervorgebracht werden, oder mit Rücksicht auf den Tauschwerth der materiellen Güter.

Es gibt demnach eine kosmopolitische und eine politische Oekonomie, eine Theorie der Tauschwerthe und eine Theorie der produktiven Kräfte, Doktrinen, die, von einander wesentlich verschieden, selbständig entwickelt werden müssen.

Die produktiven Kräfte der Völker sind nicht allein durch Fleiß, Sparsamkeit, Moralität und Intelligenz der Individuen oder durch den Besitz von Naturfonds oder materiellen Kapitalien bedingt, sondern auch durch die gesellschaftlichen, politischen und bürgerlichen Institutionen und Gesetze, vor allem aber durch die Garantien der Fortdauer, Selbständigkeit und Macht ihrer Nationalität. Wie fleißig, sparsam, erfinderisch, unternehmend, moralisch und intelligent die Individuen seien, ohne Nationaleinheit und ohne nationale Theilung der Arbeit und nationale Conföderation der produktiven Kräfte wird die Nation nie einen hohen Grad von Wohlstand und Macht erlangen oder sich den fortdauernden Besitz ihrer geistigen, gesellschaftlichen und materiellen Güter sichern.

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