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Hedwig Dohm, „Das Stimmrecht der Frauen” (1876)

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Ein junges Mädchen, welches sich unter dem Gesetz der Gütergemeinschaft (und das ist das allgemeine) mit einem unbemittelten Manne, den sie bereichert, verheiratet, kann, wenn dieser Mann geizig ist, der Dürftigkeit anheimfallen. Möglicherweise muß sie ihr eigenes Geld, Stück für Stück für die notwendigsten Lebensbedürfnisse von dem Manne erbetteln und so gewissermaßen trotz ihres Reichtums von Almosen leben.

Auch von Todes wegen darf sie keine einseitigen Bestimmungen darüber treffen. Während der Mann für alle Schulden, die er macht, das Gemeinschaftsgut belastet, werden die der Frauen nicht daraus bezahlt. Die Frau darf nicht erwerben ohne die Erlaubnis des Mannes, und was sie erwirbt, gehört dem Manne. Ihr Kopf und ihre Finger gehören ihm. Sie darf nicht einmal ihr Schmucksachen ohne Zustimmung desselben verpfänden, sie erhält keinen Paß, es sei denn, der Mann erteile schriftlich seine Einwilligung. Sucht eine mißhandelte Frau im Hause einer befreundeten Familie Schutz, so kann der Gatte sie zwingen zurückzukehren, wieder und wieder; er kann sie verhungern lassen, sie hat kein gesetzliches Mittel, ihn anzuhalten, ihr die nötige Kost zu reichen. In Hamburg bedarf die Frau zur Vornahme gerichtlicher Akte noch heute eines Kurators. [ . . . ]

Von jeher fließt der Menschen Mund in Schrift und Rede, in Prosa und in Versen über von der Kraft und Herrlichkeit der Mutterliebe, die Mutter aber wird nach dem Tode des Vaters nicht als die natürliche und rechtmäßige Hüterin des Kindes betrachtet. An Stelle des väterlichen Konsenses tritt der des Vormunds. Die Anordnung der Erziehung des Kindes kommt hauptsächlich dem Vater zu. Nur ihm gibt das Gesetz Rechte in bezug auf das Vermögen der Kinder. [ . . . ]

Was auf dem Gebiete der geschlechtlichen Beziehungen straflos an den Frauen gesündigt wird, ist unglaublich (man vergegenwärtige sich einen Augenblick die Statistik der Verführungen und ihre furchtbare Geschichte) und schmachvoll für die menschliche Gesellschaft. Man braucht nur daran zu denken, daß die Basis für die Moralität unserer Gesellschaft die Prostitution ist. Diese Ausgeburtsidee einer korrumpierten Gesellschaft, die zugunsten der gutsituierten und beschützten Frauen dem weiblichen Proletariat das Laster aufzwingt, es zu den Parias in der moralischen Welt macht und von ihm die Kosten bestreiten läßt für den Tugendschmuck der wohlhabenden Frauenklassen. In der Tat, eine Tugendgründerei schamlosester Art. [ . . . ]

Der Mann verführt die Frau, stößt sie ins Elend, und die Gesetze machen sich zu Komplizen des Verführers und geben ihr den Rest. Die Frau spielt in der Geschichte der Menschheit die Rolle einer speziellen Erlöserin des Mannes. Sie, das Lamm der Natur, nimmt seine Sünden auf sich – mag sie unter dem Kreuz zusammenbrechen.

Die Gesetze, die Männer gemacht haben, sind der reine und unverfälschte Ausdruck ihrer Gesinnung in bezug auf die Frau, alles andere ist Lug und Trug, Phrase und Affektation. Diese Gesetze aber scheinen nur dazu da, die bürgerliche Untauglichkeit der Frau zu beweisen, sie nehmen an, daß die Frau schlecht, schwach und unvernünftig sei, der Mann hingegen stark, klug und ein Ausbund von Tugend. Hielten die Männer die Frauen nur für schwach und nicht zugleich für schlecht und unvernünftig, so wären Gesetze wie die angeführten doppelt und dreifach verwerflich, denn, ist es nicht Pflicht und Aufgabe des Staates, den Schwachen gegen den Starken zu schützen? Solche Gesetze aber drücken dem Starken die schärfsten und schneidigsten Waffen in die Hand gegen Schwache und Wehrlose.

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