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Hedwig Dohm, „Das Stimmrecht der Frauen” (1876)

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1. Die Frauen brauchen das Stimmrecht nicht.

Das heißt: die Männer sind von jeher so gerecht, so gut, so edel gewesen, daß man getrost die Geschicke der Hälfte des Menschengeschlechte in ihre reinen Hände legen konnte. [ . . . ]

Das heißt: Es ist eine den Männern eingeborene Idee, ein göttlicher Impuls, der sie antreibt, mögen sie nun der barbarischen oder zivilisierten Welt angehören, das Weib zu schützen in seinen Rechten und in seinem Glück. Alle Arglist des Schurken, alle Niedertracht des Buben, alle Laster des Vornehmen und Schlechten haben sich von jeher nur gegen ihresgleichen gerichtet. Nur Mann gegen Mann hat sich das starke Geschlecht im Kampf ums Dasein geschädigt und zugrunde gerichtet.

Abseits auf einem Piedestal stand das Weib und bei ihrem Anblick verstummten im Busen des Mannes die Lockungen des Lasters und der Quell der Tugend tat sich auf. – Nie hat ein Mann ein Weib betrogen, geschändet, gemordet, in Tod und Verzweiflung getrieben.

Die Frauen brauchen das Stimmrecht nicht – nein – sie brauchen es nicht in Arkadien, in Utopien und in allen jenen Feen- und Märchenländern, an die kleine Kinder und große Männer mitunter glauben.

Und die Meinung der Geschichte?
Die Geschichte der Frauen ist nur eine Geschichte ihrer Verfolgung und ihrer Rechtlosigkeit und die Geschichte sagt: Die Männer haben von jeher die Frauen unterdrückt in unerhörter und beispielloser Weise, und die menschliche Vernunft fügt hinzu: Und sie werden sie unterdrücken, bis das weibliche Geschlecht teilhat an der Abfassung der Gesetze, von denen es regiert wird, denn jedes Recht, hinter dem nicht eine Macht steht, ist ein Traumbild und ein Phantom. – Ein flüchtiger Blick auf die Stellung der Frauen bei zivilisierten und barbarischen Völkern wird genügen zur Aufklärung über die männliche Fürsorge, die von alters her, von der Wiege bis zum Grabe dem weiblichen Geschlecht zuteil ward. [ . . . ]


(S. 92ff)

[ . . . ]

Es ist eine uralte List der Despotie, ihre Opfer zu schmähen und zu erniedrigen, um ihre Unterdrückung zu rechtfertigen. [ . . . ]

Aber es ist wahr, die Zeiten sind besser geworden, es ist nicht mehr Brauch, daß der Bruder seine Schwester verkauft, der Vater die Tochter ihres Erbteils beraubt und die Mutter unter der Vormundschaft des Sohnes steht, und doch ist das Schicksal der Frau auch noch heute schwer genug. Noch heute wie in alten Zeiten sind und bleiben die Frauen unmündig – lebenslang.

Die Herrschaft des Mannes der Frau gegenüber ist eine mildere geworden, aber die Ehe ist noch immer eine fast absolute und gesetzlich garantierte Herrschaftsform des Mannes, und das junge heiratsfähige Mädchen ist auch noch heute nicht viel mehr als eine Ware, die besichtigt, gehandelt und gekauft wird.

Aber wie – auch das Gesetz wäre gegen die Frauen?
Beginnt nicht unser preußischer Landrecht mit den Worten:
„Alle Preußen sind vor dem Gesetze gleich?“
Jawohl, alle, nur mit einigen kleinen Unterschieden, z. B. folgenden: Nach deutschem Recht kam und kommt die Frau durch Vollziehung der Ehe mit allem, was sie hat, in Vormundschaft und Gewalt des Mannes, wenn sie sich nicht kontraktlich gesichert hat. Die Gütergemeinschaft gilt in Preußen und in den meisten deutschen Staaten für so selbstverständlich, daß ein ausschließender Vertrag einer öffentlichen Bekanntmachung bedarf. Während der Mann unbeschränkte Disposition über das Eigentum hat und die Frau keinen Einspruch bei der Verwaltung ihres Vermögens von seiten des Mannes zu erheben hat, steht ihr keine Verfügung über das Gemeingut zu.

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