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Erinnerungen des Augenzeugen Götz Bergander an die Bombardierung Dresdens (Rückblick)

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Jedenfalls bin ich völlig zerschlagen wieder runtergegangen. Wir haben tatsächlich in unserem Haus keine Brandbomben gefunden. Aber wir haben, wie mit dem Lineal gezogen, neben diesem rasant beginnenden Feuersturm abgeschnitten gelegen. Die Briten haben ganz präzise gezielt. Schließlich haben wir gedacht, was soll schon werden, und sind tatsächlich vielleicht so gegen drei oder vier Uhr, - dieser zweite Angriff war von nachts halbzwei bis zwei Uhr – etwa gegen vier Uhr früh völlig übermüdet in den Kleidern aufs Bett gefallen und eingeschlafen.

Da wir im Betrieb eine eigene Stromversorgung hatten und auch eine eigene Wasserversorgung, hätten wir weiter arbeiten können. Und mein Vater, der dort Betriebsleiter war, stand am Morgen danach vor der Entscheidung: soll er weiterarbeiten oder nicht. Es war eine Fabrik, sie stellte Hefe her, also eine Nahrungsmittelfabrik, und er sagte, Nahrungsmittel sind ganz wichtig, und wir müssen hier weiterarbeiten. Und wir arbeiten jetzt weiter. Und die Arbeiter – ich weiß nicht, ob dem deutschen Arbeiter das jemand nachmacht -, die waren da. Das war das Erstaunliche. Die waren zum Teil in der Nacht gekommen zwischen den beiden Angriffen mit dem Fahrrad aus den Vororten und anderen Stadtvierteln. Es war kein so großer Betrieb, wir kannten uns also fast alle, und da sehe ich noch einen auf seinem Fahrrad da nachts angeradelt kommen im Feuerschein. Ich sage: „Herr Richter, was machen Sie denn hier?“

Und da sagt er: „Ich muss doch sehen, ob der Laden noch steht.“

Wenn man sich vorstellt, wie schlecht sie bezahlt wurden im allgemeinen, und trotzdem dieses Pflichtgefühl; „Ich muß doch sehen, ob mein Arbeitsplatz noch da ist oder ob ich her was helfen kann.“ Die Frühschicht war da, soweit die Leute nicht ausgebombt waren und daher mit sich beschäftigt.

Ich stand im Hof, und plötzlich höre ich doch schon wieder eine Sirene. Aber es war tatsächlich so. Ich habe dann gerufen: „Irgendwo hier gehen wieder Sirenen los!“

Und mit den Sirenen hörte man dann auch schon das Motorengedröhn wieder. Dann sind wir in den Keller gestürzt, und dann ging es ziemlich schnell. Das Motorengeräusch wurde laut und lauter, und der Tagesangriff begann. Das war der von der 8. Amerikanischen Luftflotte, und der setzte nun genau bei uns ein. Er sollte den großen Verschiebebahnhof treffen. Dieser Güterbahnhof war vollgepackt mit Versorgungszügen mit Nachschubgütern. Daher sind wir voll in einen Bombenteppich reingekommen. Unser Wohnhaus, das war ein stabiles, dreigeschossiges, einzeln stehendes Haus, und an jeder Ecke ist da eine Sprengbombe gefallen. Wir verdanken es wirklich nur diesem Luftschutzkeller, der so gut war, daß wir da unten nicht umgekommen sind durch diesen Luftdruck oder Luftsog. Wir waren vielleicht etwa hundert Menschen. Trotzdem gab es keine Panik. Wir waren schon ganz apathisch und demoralisiert durch die Nacht. Wir haben einfach dagesessen. Dieser und besonders betreffende Bombenabwurf, der rollte näher, und in dem Moment erlosch auch das Licht, und der ganze Keller war voll Staub. Beim Näherrollen des Bombenteppichs hatte ich mich auf den Fußboden geworfen und hatte in Hockstellung den Kopf zwischen die Beine genommen. Durch den Keller ging ein Luftdruck, richtig so, als hätte man in den Keller einen Überdruck gepreßt, der aber sofort auch wieder entwich. Und dann schrie jemand kurz auf, aber sonst war es still, und dann kam auch gleich die Stimme des Luftschutzwarts: „Ruhe, Ruhe, es ist nichts passiert.“

Sofort ging eine Taschenlampe an. Man sah wieder was, und das war wesentlich. Ich weiß nicht, ob nicht, wenn es dunkel geblieben wäre, die Leute doch plötzlich aufgesprungen wären und einer dann geschrien hätte: „Ich will raus!“

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